35 Minuten Liebe: Peter Fox veröffentlicht sein zweites Solo-Album „Love Songs“
Während sich „Zukunft Pink“ und „Vergessen wie“ stellenweise am südafrikanischen Amapiano bedienen und „Weisse Fahnen“ der bisher sanfteste Song der neuen Release-Periode von Peter Fox ist, bestach zuletzt „Ein Auge blau“ mit einer wilden Mischung aus Afrobeats und Drill-Elementen. Im Album-Kontext reihen sich die bisherigen Singles perfekt in die lose Geschichte des Albums ein.
Zwischen Dystopie und Utopie
Auch wenn es keinen konkreten Erzählstrang gibt, kann man beim aufmerksamen Hören erkennen, dass sich einige Motive in „Love Songs“ immer wieder entdecken lassen. Motive aus der Welt der Liebe spielen dabei genau so eine Rolle, wie das schwanken zwischen Dystopie und Utopie oder das latente Empowerment der weiblich gelesenen Menschen dieser Welt. Der Stadtaffe hat sich zur Ruhe gesetzt, sieht Frauen nicht mehr als Trophäen oder als zu eroberndes Gut und hat vergessen wie man ordentlich feiert.
Immer wieder werden die kleinen und großen Probleme der Menschen im Jahre 2023 in schöne, unterschwellig-kritische oder einfach catchy Zeilen verpackt. Die Schere zwischen Arm und Reich wird mit einer taxmenow-Referenz kritisiert und die schwindende Zwischenmenschlichkeit, aufgrund von digitalen Endgeräten, Künstlichen Intelligenzen und Algorithmen, lamentiert. Gleichzeitig steckt jeder Song voller Sehnsucht nach Liebe und Verbindung, wobei die Crew und die Familie mindestens genau so eine große Rolle spielt, wie die romantische Liebe. Doch wer sich auf den ersten Blick nach Liebe sehnt, der wirkt auf den zweiten Blick irgendwie einsam. So kommt es, dass vielen Love Songs eine unterschwellige Note der Melancholie beigemengt wurde – sowohl inhaltlich als auch auf musikalischer Ebene.
Apropos musikalische Ebene: Wie es sich für ein Album über die Liebe gehört, wird fast ausschließlich gesungen. Wer sich zum Einstimmen auf das Release des neuen Langspielers vorher das 15 Jahre junge „Stadtaffe“-Album angehört hat, dem wird aufgefallen sein, dass Pierre Baigorry inzwischen wesentlich mehr singt als noch zu Solodebüt-Zeiten. Die Produktionen, die in eingeölter Zusammenarbeit mit den Krauts entstanden sind, klingen satt, reich an Details und schlichtweg erfrischend organisch.
Bässe lassen Herzen beben
Genre-technisch finden wir verschiedenste Einflüsse und Rhythmen, die gefühlt aus aller Welt stamen könnten. Die Percussion in „Tuff Cookie“ klingt beispielsweise wie die kleine Schwester des Brasilianischen Evergreens „Mas Que Nada“, auch Afro-Drill, Dancehall, Jersey Club und Amapiano dürften hier und dort zu Sounds inspiriert haben. Doch egal in welche Schubladen man die einzelnen Tracks auch zu stecken versucht, eines lässt sich über sämtliche Love Songs sagen: Die Bässe lassen das Herz beben, die Chöre und Melodien lassen hier und da die Haut Gänse-artig werden und die Drums regen mit ihrer liebevollen Rhythmik zum ausgelassenen Tanzen an.
Ob „Love Songs“ an den phänomenalen Erfolg von „Stadtaffe“ anknüpfen kann bleibt abzuwarten, aber eigentlich ist das auch völlig egal. Peter Fox hat uns sein höchstwahrscheinlich letztes Album geschenkt, in dem die Liebe als Gegengift für die Probleme unserer Zeit besungen wird und das sollte in Anbetracht der aktuellen Weltlage mehr wert sein als Charterfolge, Edelmetall-Platten und gebrochene Rekorde. Schließlich möchte Peter Fox unsere Herzen erreichen und nicht unsere Geldbeutel.