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Das Rave-Revival: Die deutsche Musiklandschaft in Trance

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Schnelle Brillen, Vokuhilas und Tribal-Muster: Das Revival der 90er- und 2000er-Popkultur ist dieser Tage in vollem Gang und braucht es einen passenden Soundtrack. Welche Genres sich da empfehlen, wird deutlich, wenn man sich aktuelle Releases von jungen Künstler:innen wie Southstar, Ski Aggu und Dilla anschaut: Trance und Eurodance! Wir nehmen hier unter die Lupe, wie ein ehemals verhasstes Subgenre der Rave-Szene plötzlich zu neuem Leben erwacht.

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Vielleicht war die Geburtsstunde des Trends dieser unrühmliche Moment, in dem Star-DJ und Platin-Produzent Robin Schulz eine quasi 1-zu-1-Kopie von Southstars „Miss You“ veröffentlicht hat. Vielleicht war es aber auch schon im Mai, als erst die beschleunigte TikTok-Version von „Ohne Benzin“ Domiziana zum Durchbruch verhalf. So oder so, an irgendeinem Punkt hat es sich abgezeichnet: Der Beginn der 2020er geht einher mit einem regelrechten Rave-Revival. 

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Schneller, höher, weiter

Vielleicht ist auch Pashanim an allem Schuld, der schon vor zwei Jahren eine ganze Generation dazu verleitet hat, mit „Airwaves in den Jeans“ über House-Beats zu gleiten. Seither hat sich einiges getan. Die Covid-Pandemie hat Einzug gehalten und uns nach über zwei Jahren Stillstand mit Bock auf Party und Feiern zurückgelassen. Das Resultat: Die BPM wandern nach oben, die Melodien werden euphorischer. Trance, Eurodance und Hard-Techno sind en vogue. 

Künstler wie Crystal F nicken da nur wissend mit dem Kopf. Er ist mit seiner Crew Ruffiction schon seit Jahren fleißig daran, die Brücke zwischen Rap und Techno zu schlagen – mit einem Erfolg, der ihn manchmal selbst überrascht. „Ich hätte nie gedacht, dass mein größter Song mein Hard-Tech-Song ist“, gesteht Crystal F bei uns im Interview.

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Das hässliche Entlein bekommt endlich Liebe

Dass man sich ausgerechnet diese Subgenres aus dem umfangreichen und verschachtelten Rave-Baukasten aussucht, ist nicht selbstverständlich. In den späten 90ern war der melodische, schnelle Techno-Pop von Künstler:innen wie Blümchen oder Dune zwar äußerst populär, aber mindestens genau so verhasst. Und auch der „Uplifting Trance“ aus den Niederlanden und Belgien war vielen Techno-Heads ein Dorn im Auge. „Trance“ klang in vielen Ohren nur allzu sehr nach „Trash“, und diesen Beigeschmack ist man seither nicht mehr so ganz losgeworden. Bis jetzt. 

Dieser Tage entdeckt eine neue Generation von Musiker:innen Genres für sich, die ihren größten Hype erlebt hat, als viele von ihnen noch gar nicht auf der Welt waren. Gerade weil der Eurodance-Sound so lange aus dem Mainstream verschwunden war, klingt es auf einmal frisch und neu, wenn Dilla auf galoppierenden Dance-Beats von Ekstase und Absturz singt.

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Ski Aggu will die Makrodosis

Auch immer für eine gute Party zu haben: Ski Aggu. Der Newcomer mit verspiegelter Skibrille und 90s-Vokuhila ist eine spannende Figur im Berliner Rap-Untergrund und das liegt neben seinen humorvollen Lines und dem schillernden Äußeren vor allem an den musikalischen Entscheidungen, die er trifft. Für seine Single „Hubba Bubba“ tut er sich mit „Miss You“-Produzent Southstar zusammen, und „Makrodosis“ ist eine verballerte Rave-Hymne mit dem anonymen Eurodance-Propheten DJ Schinkensuppe.

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Luis Ake auf „Tour de Trance“

„Scheiß auf Mikrodosis, gib mir eine Makrodosis / Mir wird schwarz vor Augen und seh Sterne, so wie Astronomen“, rappt Ski Aggu hier. Ganz nach Love Parade-Vorbild dreht sich bei dieser Musik viel um Rausch und Hedonismus. Das momentane Rave-Revival bringt allerdings auch andere Facetten mit sich und vermengt sich zunehmend mit anderen aktuellen Trends. Luis Ake hat im Zuge des Kriegs in der Ukraine den Trance-Track „Frieden auf der Welt“ veröffentlicht. Außerdem nimmt er Songs von befreundeten NNDW-Künstlern wie Edwin Rosen oder Salò mit eigenen Remixen mit auf die „Tour de Trance“. 

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Eurodance trifft Neue Neue Deutsche Welle

Auf der langen Kollaborations-Liste von Luis Ake findet sich auch Danziger 99 aka Saiya Tiaw, seines Zeichens die eine Hälfte des obskuren Duos Neunundneunzig. Seine Musik beinhaltet immer wieder Fragmente und Referenzen an die Rave-Hochzeiten, als die halbe Welt auf 150 Beats per Minute tanzte. Die euphorischen Synth-Melodien und flatternden Vocals kollidieren hier allerdings mit der obskuren Goth-Ästhetik der Neuen Neuen Deutschen Welle und sorgen für eine spannende Eigenkreation.

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Aus Vergangenem wird Zukunft gemacht

Der kitschige Eurodance- und Trance-Sound verträgt sich erstaunlich gut mit der kühlen Eleganz der New Wave aus den 80ern. Aber die Wiederentdeckung vergessener Rave-Genres befüttert nicht nur die Retro-Begeisterung der jungen Generation – sie fließt auch in die Musik der Zukunft ein. Internationale Künstler:innen wie Bladee und 100 gecs, aber auch deutsche Vertreter:innen wie Zsá Zsá und Babyb3ns mischen Trance-Melodien munter mit anderen Genres wie Trap, EDM und Pop Punk und sorgen für eine futuristische neue Mutation: Hyper Pop. So blitzt in Zsá Zsás neuester Single „Your Brother“ zwischen den wummernden 808-Bässen immer wieder der Trance-Klassiker „Better Off Alone“ von Alice Deejay durch.

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Hard Times, Furious Dancing

Wo die plötzliche Begeisterung für die treibende Rave-Musik der späten 90er und frühen 2000er herkommt, kann nur spekuliert werden. Wie wir kürzlich in unserem Beitrag über den Trend zur „Schnellen Brille“ geschrieben haben, zieht sich das Revival dieser Ära durch Mode und Musik gleichermaßen, zwei Bereiche, die sich schon immer gegenseitig befeuert haben. Mit Sicherheit hat auch die Covid-Pandemie viel damit zu tun, die mit ihren Lockdowns und Home Office-Episoden eine neue Sehnsucht und Wertschätzung für jeden Clubbesuch mit sich gebracht hat.

Ein aktueller Song des Berliner Produzentenduos Tenh mit der österreichischen Band Yukno heißt „Hard Time Furious Dancing“ und vielleicht bringt dieser Titel die momentane Begeisterung für Trance und Co. gut auf den Punkt. Das Hier und Jetzt sieht nicht gerade rosig aus: Krieg in Europa, Inflation, steigende Energiepreise, ganz zu schweigen von der Klimakrise am Horizont. Völlig verständlich also, dass sich die junge Generation von Musik-Macher:innen und Fans in eine eigene Welt flüchtet, voll mit synthetischer Euphorie und Beats in Hochgeschwindigkeit.

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