Der perfekte Film für euer nächstes Date: „Cat Person“
Am 4. Dezember 2017 schaltet das Magazin „New Yorker“ auf seiner Website eine Kurzgeschichte namens „Cat Person“ frei. Darin erzählt die Autorin Kristen Roupenian von einer Dating-Erfahrung, die unangenehmer nicht sein könnte und schreibt die Chronik einer sehr unglücklich verlaufenden, toxischen Affäre. Margot ist eine junge Studentin, Anfang 20, Robert gut zehn Jahre älter. Die Story beginnt mit den Worten: „Margot met Robert on a Wednesday night toward the end of her fall semester.“ Sie endet mit den Worten: „‚Answer me‘. ‚Whore.‘“ Man kann die Story im Englischen noch immer online lesen – sie hat über 4,5 Millionen Views und ist offiziell das meistgelesene literarische Stück auf der New-Yorker-Website.
2017 war auch das Jahr, in dem der Hashtag #MeToo im Oktober Fahrt aufnahm und auf der ganzen Welt für längst überfällige Diskussionen sorgte. Nicht nur deshalb fanden sich viele Frauen in der Geschichte wieder. Vor allem die sehr unangenehme Sex-Szene in der Geschichte, die Art der passiv-aggressiven Manipulation durch Robert und die vielen Situationen, in denen Margot nicht weiß, ob sie gerade wirklich sicher ist – das hatten viele junge Frauen oft genug erlebt. Parallel dazu gab es aber auch einen massiven Backlash: Die Twitter-Chauvis und Antifeministen zeterten, die Story sei Teil einer „männerhassenden Agenda“. „Cat Person“ wurde in diesen und in den Tagen darauf millionenfach geteilt, kommentiert, parodiert, diskutiert. Und Kristen Roupenian mit einem Kübel sexistischer Kommentare und Kritiken übergossen.
Warum flippen denn alle aus?
Dass man jetzt wieder über diese so wichtige Short Story reden wird, liegt an der Verfilmung, die in dieser Woche im Kino gestartet ist. Die Regie führte dabei Susanna Fogel. Eine perfekte Wahl, wie wir finden: Sie war zum Beispiel Co-Autorin in der tollen Coming-of-Age-Tragikomödie „Booksmart“, sie führte Regie bei der sehr guten Serie „The Flight Attendant“ mit Kaley Cuoco, die ihr alle aus „The Big Bang Theory“ kennen dürftet und Fogel führe Regie bei „The Spy Who Dumped Me“: Eine sehr unterhaltsame, actionreiche, feministische Antwort auf Agentenfilme im Stile von James Bond.
„Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich beim Lesen völlig in der Geschichte versank, weil sie so emotional und perfekt beobachtet war“, erzählt Susanna Fogel im Zoom Interview. „Danach fragte ich mich: Warum wird denn um diese Story so unerbittlich gekämpft? Was gibt es da zu streiten? Warum fühlen sich viele davon getriggert? Und warum sind die Menschen bei dieser Geschichte so verletzt? Warum sind Männer so beleidigt über die Darstellung von Robert, wo wir Frauen doch seit Jahrhunderten in der Männerliteratur Darstellungen unserer selbst und unserer Körper und alles andere ertragen müssen? Ich habe mich gefragt: Was zur Hölle ist das Problem? Warum flippen wir deswegen so aus? Diese Aufregung wurde zu einem Teil der Erzählung, der unausweichlich und relevant war – nämlich für das, was damals in der Welt vor sich ging: ‚Cat Person‘ kam im Dezember 2017, seit Oktober 2017 kannte jeder den Hashtag #MeToo. Kristen Roupenians Short Story ist also auch ein sehr explosives Stück in dieser Diskussion. Und dann war da noch die Wut der Leute über die Tatsache, dass der New Yorker ‚Cat Person‘ veröffentlicht hatte. Viele fragten ernsthaft: Warum ist die Geschichte dieser jungen Frau es wert, im New Yorker veröffentlicht zu werden? Was ja auch ein Licht auf den immer noch sehr realen Sexismus in der literarischen Welt wirft.“
Das Drehbuch zum Film hat Michelle Ashford geschrieben. Sie und Fogel haben aus der Kurzgeschichte, die komplett aus Margots Perspektive erzählt wird, einen provokanten, rasend unterhaltsamen, sehr stylisch aussehenden Film gemacht. Wenn ihr also zum Beispiel „Promising Young Woman“ toll fandet, solltet ihr auch „Cat Person“ schauen. Emilia Jones spielt darin die Studentin Margot und Nicholas Braun Robert, der angeblich eine „Cat Person“ sei. Das sagt er zumindest – aber die Katzen sieht man im ganzen Film nicht ein einziges Mal. Gibt es sie also wirklich, oder hat Robert sie nur erfunden, damit er vertrauenswürdiger wirkt? Susanna Fogel sagt dazu: „Margot ist eine Frau, die immer wieder das Gefühl hat, in Gefahr zu sein. Was bedeutet es also für sie, dass Robert diese Nachricht schreibt? Heißt es, er ist wütend, aber harmlos, und er schreibt bloß seine Aggressionen auf eine Weise raus, die er sich in der realen Welt nie trauen würde? Ist er ein großer Kerl, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte? Oder wird sich dieses Wutlevel in körperlicher Gewalt niederschlagen? Diese Fragen sind etwas, womit sich Frauen ständig auseinandersetzen müssen. Was bedeutet das? Wie soll ich das interpretieren? Ist es männliche Wut oder männliche Verletzlichkeit? Wird es gewalttätig enden, oder sind es nur die Worte einer emotional verletzten Person? Margot geht immer von dem Schlimmsten aus, weil wir Frauen das zu unserer eigenen Sicherheit beigebracht kriegen. Und sie hat eine Fantasie, die ihr gleich die Bilder dazu liefern kann.“

Margot weiß manchmal nicht, in welchem Genre ihr Leben gerade ist
Genau diese Bilder zeigt uns der Film und das macht ihn so besonders. „Cat Person“ wird manchmal von einer Sekunde zur nächsten zu einem Horrorfilm. So richtig mit blutrot gefärbtem Licht, fieser Musik und panischen Gesichtern. Wenig später ist man wieder in einer unangenehmen Rom-Com, dann kurz in einem Coming-of-Age-Film und ganz am Ende fast in einem Action-Film oder Thriller. Warum dieses Genre-Springen als Stilmittel? Fogel erklärt es uns so: „Das hatten Michelle und ich von Anfang an vor Augen. Wir sprachen darüber, dass Margot selbst oft nicht weiß, in welcher Art Film sie gerade ist. Oder in welchem Genre ihr Leben spielt, seitdem sie Robert kennt. Eine Love Story mit Traumhochzeit? Ein Horrorfilm mit einer dramatischen Beerdigungsszene? Wir wollten Einflüsse verwenden, die Margot selbst eingebracht hätte. Diese Therapie-Szene könnte zum Beispiel direkt aus einer Woody-Allen-Retrospektive stammen, die sie in der Nähe ihrer Uni im Kino gesehen hat. Der Anfang ist sehr surreal, weil natürlich auch Margot als junge Studentin aus gebildetem Hause sicher mal Stanley Kubriks ‚Shining‘ gesehen hat. Meine Inspiration für diese Erzählweise war aber vor allem ‚Parasite‘ von Bong Joon-ho, auch wenn man das nicht auf den ersten Blick sieht. Aber die Art, wie ‚Parasite‘ als Komödie über Klasse und Gesellschaft beginnt und dann zu etwas ganz anderem wird, bei dem man sich am Ende fragt: WTF? Das hat bei mir großen Eindruck hinterlassen.“

Als „Cat Person“ früher im Jahr schon auf diversen Filmfestivals lief, fielen einige Kritiken eher negativ aus. Komischerweise kamen diese oft von, sagen wir, Filmkritikern im besten Alter. Dabei merkt man schon im Vorspann, dass der Film in erster Linie für ein junges Publikum gemacht ist, das mit den Fragen, die er aufwirft, leider bestens vertraut ist. Susanna Fogel lacht leise, als wir sie darauf ansprechen. Sie freue sich über jeden fundierten Verriss, sie will, dass ihr Film nicht allen immer gefällt. Aber: „Für mich haben sich einige der männlichen Kritiken angefühlt, als kämen sie von einem Robert. Es sind dieselben Männer, die damals gesagt haben: ‚Ich hasse die Geschichte im New Yorker. Das ist keine Literatur.‘ Oder es sind Männer, die es nicht ertragen, dass wir uns über Roberts Wohlstandsbauch lustig machen. Und ich denke dann: „Oh, wirklich? Hast du mal einen Roman von John Updike gelesen? Da geht es manchmal nur um die körperlichen Mängel. Oder all die anderen Bücher in eurem Kanon? Da geht es ebenso oft um die Schwächen der Frauen und ihre Erbärmlichkeit. Über das Gesamtwerkt von Milan Kundera brauche wir gar nicht erst reden.‘“ Das seien aber die Extrembeispiele unter den Rezensionen. „Manchmal spürt man auch die männliche Sensibilität. Es gibt viele Männer, die den Film und meine kreativen Entscheidungen als Regisseurin wirklich verstehen. Aber andere sind geblendet von ihrem Gefühl, als Mann ungerecht behandelt worden zu sein. Manchmal kompensieren sie das mit einer Besessenheit, den Film mit der Originalgeschichte zu vergleichen. Sie erwähnen alles, was wir verändert haben – und das ist dann die ganze ‚Kritik‘.“
Der perfekte Film für euer Date!
Unserer Meinung nach ist „Cat Person“ der perfekte Film für euer nächstes Date, jetzt wo „Barbie“ nicht mehr in allen Kinos läuft. Was nach allem, was wir bis hierhin geschrieben haben, vielleicht ein wenig diabolisch klingt. Aber wir meinen das schon ernst: Wenn ihr diesen Film zusammen schaut, habt ihr vor allem in einer Frau-Mann-Konstellation danach genau die richtigen Fragen als Thema. Das findet auch Susanna Fogel: „Ich will provozieren – auf eine Weise, die man nicht sofort greifen kann und die eine eigene Dynamik entwickelt. Die Menschen wollen über die Nuancen von Sex und Dating reden. Das ist ein Fakt. Sie wollen nicht nur über böse Männer oder böse Frauen reden. Sie wollen auch die Zwischentöne diskutieren, weil sie die Erfahrungen vieler prägen. Wir brauchen mehr Geschichten, die nicht nur von weiblichen Opfern reden und sagen, dass alle Männer schlecht sind. Wir brauchen Geschichten über die wirklich komplizierten Grautöne, die ja nun mal existieren. Es wäre schön, wenn Konsens immer auf ein ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ beruht, aber im wahren Leben gibt es viele Geschichten von Frauen, die erst ‚Ja‘ sagen, und es dann bereuen. Oder von Männern, die nicht verstehen, dass es nach einer Zustimmung auch deutliche Anzeichen geben kann, dass sich das ‚Ja‘ nicht mehr gut anfühlt. Dabei geht es mir gar nicht um Schuldzuweisungen. Ich will mit ‚Cat Person‘ zeigen, wie falsch es auf vielen Ebenen laufen kann. Weil viele Menschen das in anderen Nuancen erlebt haben – und sich nach dem Film vielleicht eher trauen, mal darüber zu sprechen.“

Bis dahin müsst ihr aber auch durch eine der unangenehmsten Kuss-Szenen der Filmgeschichte, die ihr schon kurz im Trailer gesehen habt. Unsere letzte Frage war dann auch, wie Susanna Fogel damit leben kann, uns diese beschert zu haben. Ihre Antwort, serviert mit einem Lachen: „Oh Gott! Manchmal frage ich mich, was wir da angerichtet haben. Mir begegnen ständig Frauen, die mir sagen, sie könnten sich mit dem Film identifizieren – vor allem wegen der Kuss-Szene. Mir rutscht dann immer ein „Oh, toll!“ raus – und dann erstarre ich und sage: „Oh Shit, gar nicht toll! Das ist doch schrecklich für dich!“ Wir hoffen euer Kino-Date mit „Cat Person“ endet mit einer besseren Szene!

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