Die Wiedergeburt einer Popikone: Beyoncé released Album „Renaissance“
Mit einer schriftlichen Nachricht triumphiert die 28-fache-Grammy-Gewinnerin Beyoncé über ihr neues Album mit den Worten „So etwas habe ich noch nie gesehen“ und bedankt sich bei ihren Fans: „Ich werde weiterhin mein Bestes geben und mein Bestes tun, um euch Freude zu bereiten.“ Mit ihrem siebten Solo-Album „Renaissance“ schreitet die 40-Jährige in den Olymp der Popmusik. Dabei war es ihre Intention, wie sie auf ihrem Instagram-Kanal verkündet, „einen sicheren Ort zu schaffen, einen Ort ohne Urteil (…) Ein Ort zum Schreien, Loslassen, Freiheit fühlen. (…) sich so einzigartig, stark und sexy zu fühlen, wie du bist“. Ein Album, das hohe Ansprüche stellt und die man auch von einer selbsternannten Königin erwarten darf. Mit feinstem Gespür für den populären Zeitgeist präsentiert Beyoncé wieder einmal eindrucksvolle Bilder mit ihrer beinahe mythosbehafteten Stimmgewalt.
Aufbruch, Freiheit und neuer Optimismus
Wer es sich erlauben kann, einen Release lange geheim zu halten, statt Werbung zu machen, der heißt im deutschen Sprachraum entweder Shirin David oder auf internationaler Ebene Beyoncé, die bereits sechs Solo-Alben direkt auf die Eins katapultierte. Lediglich gab es für die Fans nur die erste Singleauskopplung „Break My Soul“ knapp einen Monat früher auf die Ohren. Für viele ein neuartiger Sound, wie man ihn von Beyoncé zuvor nicht kannte: housige Vibes mit Samples von „Show me Love“ von Robin S., der in den 90er-Jahren in der Clubszene extreme Erfolge feierte. Dass dieser Sound besonders großen Anklang innerhalb der LGBTQ+-Community fand, ist nicht nur der gesamten Songästhetik geschuldet, sondern auch dem perfekt terminierten Releasetag kurz vor der großen New Yorker Pride-Parade. Absolut geplant, wenn man allein auf das Songintro achtet, auf dem die schwarz-queere Bounce-Musikerin Big Freedia zu hören ist. Ein starkes Statement für die Community.

Das Album soll nach dem letzten Soloalbum „Lemonade“ (2016) nun innerhalb von drei Jahren entstanden sein und ist nur der erste Akt von insgesamt drei. Neben einer Hommage an das goldene Disco-Zeitalter ist das Album auch eine besondere Liebeserklärung an ihre Familie. Dabei, so schreibt Beyoncé, gaben ihr ihre Kinder Rumi (5), Sir (5) und Blue (10) sowie ihr Mann Jay-Z und ihre Eltern die nötige Inspiration. Doch nicht zuletzt widmet sie das Album ihrem an HIV verstorbenen, homosexuellen Onkel Johnny, der sie als Erster mit der Musik Vertraut machte.
Wie von der Queen of Prunk und Gloria, Black Pride und Female Empowernment zu erwarten ist, weiß sie sich auch diesmal perfekt zu inszenieren. Trotz auch immer wieder streifender Kritiken an kultureller Aneignung und Kommerzialisierung von Subkulturen steht Beyoncé über den Dingen. Auf ihrem Cover thront sie nackt mit silbernem Körperschmuck in aufrechter Haltung auf einem schillernd gläsernen Pferd. Ihre wellenden langen Haare, mit denen sie immer wieder ein Statement setzt, trägt sie fallend über Schulter und Arm wie eine Art Meerjungfrau. In dieser starren, majestätischen Haltung wirkt sie wie eine unerreichbare Heldinnenfigur. Dennoch erinnert das Albumcover an Bianca Jaggers Auftritt im Studio 54, bei dem sie 1977 auf einem weißen Pferd ritt. Somit ist die Brücke zur Disco-Ära der 70er-Jahre auch bildhaft geschlagen.
Ein Flug durch die neue Sound-Galaxy mit der Apollo-11-Lotsin der Popmusik gefällig? Wir schweben zurück in die Zukunft und befinden uns, ganz dem Albumtitel „Renaissance“ angemessen, in der Wiedergeburt einer Bienenkönigin, die neue Himmelsphären durchbricht. Dabei wird jeder Songstep großgeschrieben, einzeln gelesen und am Schluss zu einem gesamten Artwork verschmolzen. Ein Befreiungsschlag für Kulturen, die das Leben hervorbringt und die Popnatur erhalten.
Zwischen Empowernment und neuer Dance-Ära
Hypnotisierend schießt uns der erste Sample-getriebene Track „I’m That Girl“ mit der ersten Zeile „Please, motherfuckers ain’t stop“ in die Erdumlaufbahn. Marschierende Beats, mystischer Gesang und Synths im Reggaeton-Nebel eröffnen die Sounds der Jahrzehnte nochmal neu. Mit autobiografischem Text, welcher im gewohnten Beyoncé-Gesang erzählt wird, erschließen sich dennoch neue Dimensionen auf dem Album. Die bereits gehörte Sphäre aus dem Solo-Album „Lemonade“ von 2016 wird weitergesponnen und erfährt auch eine Art „Kiss it better“-Sound (2016) von Popsängerin Rihanna. Überhöhenden Lyrics wie „She’s a god, she’s a hero“ nehmen unter anderem deutlich Bezug auf das Albumcover und markieren, wer hier auf dem hohen Ross sitzt. Auch ist der einst gehörte Destiny’s Child Sound rauszuhören. Die 70er-Disco-Nummern mit funkigen Vibes erinnern an Studio 54 und an Zeiten von Soulband Earth Wind and Fire. Mit voller „Energy“ wird ein extrem kurzweiliger Future-Sound auch durch metallische Rap-Elemente und trappigem Reggaeton erzeugt. Die 90iger werden im Stile von Charli XCX und Troye Silvan mit „1999“ oder Oldschool Hiphop gekrönt. Überraschenderweise erinnern aber beispielsweise auch trappige Snares wie in „Church Girl“ an Cardi B oder Kendrick Lamar Vibes.
Eine Galaxy voller Future Pop, die Beyoncés Vergangenheit preist und ihre daraus resultierende Neuschöpfung zelebriert
Von einer RnB-Ballade über Oldschool-Sounds mit Motown-Vibes bis hin zu Reggaeton, Techno, House und trappigen Elementen auf 808-Referenzen: das Album ist das, was Popkultur definiert. Und wie es sich für ein gutes DJ-Set auf dem Dancefloor gehört, werden im Grand Finale in „Summer Renaissance“ alle großen angespielten Popgenres zusammengeführt. Ein Flug zurück in die Futurepop-Galaxy ganz im Stile einer Popikone.