Hard In Here – All by myself: Ein-Personen-Bands im Black Metal
Ein-Personen-Bands, also Bands, in denen ein:e Musiker:in alle Funktionen übernimmt, gehören zum Black Metal wie Blastbeats. Ergibt ja auch Sinn, gelten Black Metaller doch eher als misanthropisch und sozial mittelmäßig kompetent. Dass man sich einfach wegsperren, allein ganze Alben schreiben, selbst Gitarren und Bass einspielen und Drums programmieren kann, ist da natürlich sehr praktisch.
Noch mehr als das: Ein-Personen-Bands müssen keine Kompromisse eingehen, müssen sich nicht mit unterschiedlichen Meinungen und Plänen arrangieren und, ganz wichtig: können sich hinter dem schützenden Mantel der Anonymität verstecken.
All das führt dazu, dass sich in diesem Kosmos viele zumindest fragwürdige Persönlichkeiten herumtreiben, die wir hier gar nicht erst erwähnen wollen. Andere Projekte hingegen wagen den Schritt aus der Obskurität und entwickeln sich zu vollwertigen Bands, die aus mehreren Musiker:innen bestehen – Liturgy und Dödsrit etwa.
Lamp Of Murmuur
Auch wenn Lamp Of Murmuur mir mittlerweile etwas zu sehr nach Immortal klingt, gehört das Projekt aus L.A. zur ersten Liga der aktuellen Solo-Black-Metal-Bands, nicht zuletzt dank der 2021er EP „Submission And Slavery“ mit ihren Post-Punk- und Goth-Rock-Einflüssen. Mittlerweile tourt Lamp Of Murmuur auch als Live-Band – Fans von Kapuzen-Black-Metal sollten sich das nicht entgehen lassen.
Trhä
Wie man diesen Bandnamen richtig ausspricht, weiß niemand so genau, Trhä operiert nämlich komplett in einer Fantasiesprache. In der an obskuren Metal-Projekten nicht gerade armen Bandcamp-Bubble ist das Projekt aus Texas seit dem ersten Release 2020 super angesagt. Die wirklich zahlreichen Releases sind geprägt von Lo-fi Depressive Black Metal mit einer gehörigen Portion Ambient und Dungeon Synth. Mittlerweile scheint auch das Rätsel um die Person hinter Trhä gelöst, die Nerds unter anderem als Mastermind von Sadness (ebenfalls ein Solo-Projekt) kennen könnten.
Hulder
Hulder ist das Mittelalter-Black-Metal-Projekt der gebürtigen Belgierin Marliese Osborne. In ihren Songs, die als „Dark Medieval Black Metal“ gelabelt werden, geht’s um Folklore, Folter und epische Schlachten. 2021 hat sie ihr lang erwartetes und bislang einziges Album veröffentlicht, das auf den schönen Namen „Godslastering: Hymns of a Forlorn Peasantry“ hört.
Panopticon
Lange wurde Panopticon als Heilsbringer der linkspolitischen Black-Metal-Szene gefeiert. Mit einer Mischung aus atmosphärischem Appalachian Black Metal und Folk widmet Mastermind Austin Lunn sich auf seinen ersten Alben den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen seiner Heimat und schlägt damit die Brücke zwischen Metal, Naturverbundenheit und Aktivismus.
Scáth Na Déithe
Das irische Projekt Scáth Na Déithe („Schatten der Götter“) ist inhaltlich stark von der Folklore und Geschichte des Landes beeinflusst. Passend zu der oft tragischen Vergangenheit Irlands sind die atmosphärischen Epen von Musiker Cathal Hughes geprägt von Melancholie, Trauer und Verzweiflung. Anfang 2023 erschien das ausgezeichnete dritte Album „Virulent Providence“.
Mizmor
Ähnlich wie Panopticon, Hulder und Lamp Of Murmuur ist auch Mizmor in den vergangenen Jahren zu einer ordentlichen Live-Band herangewachsen, die Songs stammen jedoch immer noch ausschließlich von Liam Neighbors. Mizmor ist sein ganz persönliches Ventil für Depression, den Verlust seines Glaubens sowie existenzielle Fragen und Krisen. Große, schwere Themen also, aus denen Neighbors ebenso große, schwere Black-Metal- und Doom-Monumente errichtet.
Zeal & Ardor
Schweiz-Amerikaner Manuel Gagneux setzt mit Zeal & Ardor die rebellische Kraft des Black Metal in einen neuen Kontext: Er behandelt in vielen seiner Songs subtil die Unterdrückung, Ausbeutung, den Missbrauch und schließlich das Auflehnen Schwarzer Menschen. In seine Songs lässt er eine gehörige Portion Gospel, Soul und R’n‘B mit einfließen. Mit Black Metal hat das nur noch rudimentär zu tun, radikaler als der drölftausendste Dude, der über Satan schreit, ist das aber allemal.
Gudsforladt
Da folkloristische Elemente, linkes Gedankengut und Black Metal so gut miteinander funktionieren, darf auch Gudsforladt („gottverlassen“) hier nicht fehlen. Der Musiker aus L.A. outet sich mit kommunistischen Referenzen als Genosse, nebenbei spielt er Bass in der Live-Band von BlackBraid, einem indigenen Ein-Personen-Projekt, das aktuell aufgrund diverser Personalien und Vorfälle für Diskussionen sorgt (… this is why we can’t have nice things).
Hier gehts zur Hard in Here Playlist:
Christina Wenig ist Redakteurin, Journalistin und Fotografin aus Berlin. Für Magazine wie Visions und Metal Hammer schreibt sie über Metal, Hardcore und Artverwandtes; auf ihrem Instagram-Kanal teilt sie Live-Eindrücke aus verschwitzten Clubs und sinniert über Feminismus, Antifaschismus, Filme und ihren Hund.