Hard In Here – mit Drain, Esben And The Witch und Nightmarer
Drain – Living Proof
Neues Album von Drain heißt: Wir holen unsere Thrasher- und Santa-Cruz-Shirts raus und sind für 25 Minuten alle Skate Kids aus dem Golden State. Denn man kann ihre kalifornische Herkunft nicht überhören: Drain klingen nach PMA und Party, nach Sonnenschein und Dosenbier am Strand. Ich Elder Emo mag sie trotzdem. Zum Beweis exclusive Footage von mir, wie ich „Living Proof“ höre:
Auf das von Cali-Hardcore-Punk-Legenden wie Black Flag gelegte Fundament türmt der Vierer Thrash-Riffs und moderne Metalcore-Elemente und ballert damit drei Jahre nach seinem gehypten Debütalbum „California Curse“ erneut eine Platte raus, die einfach Spaß macht. Erstere gefiel mir mit ihrem old-schooligen Sound und Groove ein Stück besser als der aktuelle Nachfolger, dafür schüttelt „Living Proof“ den einen oder anderen Überraschungsmoment aus dem Ärmel – einen Gastauftritt von Rapper Shakewell etwa (weil man HipHop-Crossovers eben gerade macht, and I’m not mad about it) und das ziemlich originalgetreue Descendents-Cover „Good Good Things“, das beweist, dass Drain auch ganz easy eine erfolgreiche Pop-Punk-Band sein könnten. Aber wer will das schon?
Esben And The Witch – Hold Sacred
Esben And The Witch haben sich im Laufe ihrer 15-jährigen Karriere mit so traumtänzerischerer Leichtigkeit durch die verschiedensten Genres bewegt, dass jegliche Referenzen hinfällig sind. Ja, irgendwie ist das wohl Post-Rock, aber eigentlich doch stets so viel mehr – ein eigener Stil, der sich ganz organisch mit den Gezeiten wandelt.
Dennoch bildet „Hold Sacred“ eine Zäsur in der sechs Alben umfassenden Diskographie des britischen Trios: Erstmals aufgenommen ohne Live-Drums und reduziert auf Ambient-artige Gitarren- und Synth-Instrumentation liegt der Fokus hier ganz auf den fein skizzierten Klangräumen und Rachel Ann Davies’ beschwörende Vocals, die durch sie hallen. Es ist ein ruhiges, intimes, geradezu meditatives Album; unschuldig und zart, in einer Welt, in der Unschuld und Zärtlichkeit immer schwieriger zu finden sind. Man sollte damit tun, was der Albumtitel uns sagt: Hold it sacred.
Nightmarer – Deformity Adrift
Um die emotionale und stilistische Achterbahnfahrt für heute perfekt zu machen, empfehle ich ausnahmsweise auch mal Death Metal, weil Nightmarer einfach so wundervoll dissonant und erdrückend klingen, dass ich nicht anders kann. Die auf Berlin und Portland verteilte Band (bei der The-Ocean- und Ex-War-From-A-Harlots-Mouth-Drummer Paul Seidel mitmischt) veröffentlicht mit „Deformity Adrift“ ihr zweites Album, das sicherlich vielen Menschen gefallen wird, denen Imperial Triumphant zu artsy ist.
Auf Tech Death hab ich persönlich ja gar keinen Bock, Nightmarer reichern ihre Songs jedoch mit so viel düster-kalter Atmosphäre und doomiger Schwere an, dass mir das Herz aufgeht. Das industriell-verzerrte Interlude „Tooms“ würde jeden „Saw“-Film bereichern, und generell ist „Deformity Adrift“ bildlich gesprochen der perfekte Soundtrack zur körperlichen und mentalen Selbstzerlegung (s. Cover-Artwork). What’s not to love?
Hier gehts zur Hard in Here Playlist:
Christina Wenig ist Redakteurin, Journalistin und Fotografin aus Berlin. Für Magazine wie Visions und Metal Hammer schreibt sie über Metal, Hardcore und Artverwandtes; auf ihrem Instagram-Kanal teilt sie Live-Eindrücke aus verschwitzten Clubs und sinniert über Feminismus, Antifaschismus, Filme und ihren Hund.