Maryam.fyi über die Revolution im Iran: Wie weit müssen Menschen gehen, um internationale Unterstützung zu erfahren?
Vor 421 Tagen ist für die Menschen im Iran ein neues Zeitalter angebrochen. Eine Veränderung, die sich nicht mehr aufhalten und umkehren lässt. Das Zeitalter feministischer Revolution und Proteste, dringend notwendiger Veränderung in unserer Welt ist längst angebrochen. Die Geschichte feministischer Proteste und Revolutionen hat nicht erst mit dem Tod der Kurdin Jina Amini begonnen. Nein – schon 2012 wurde im kurdischen Kobanê die Revolution ausgerufen und kurdische Frauen besiegten im Zuge ihrer Kämpfe den IS, um nur ein Ereignis aus der nahen Vergangenheit zu nennen, denn die Geschichte der Kurd:innen ist geprägt vom feministischen Kampf.
Am 28. Oktober 2023 war dann der Tag, an dem die junge Armita Garavand nach ihrer Misshandlung durch Straßenwächter des Islamische Regimes verstorben ist. In den vorherigen Episoden hatte ich bereits über sie erzählt. Massenweise besuchten Menschen das Grab zu ihrer Beerdigung. Das Islamische Regime hatte nichts weniger als das erwartet und dementsprechend bereits einen Zaun um Armitas Grab erbaut. Wie skrupellos und feige allein diese Geste ist, wie viel Angst vor einem toten Mädchen dieses System hat, zeigt sich hier beispielhaft. Während ihrer Beerdigung wurden zahlreiche Teilnehmer:innen verhaftet, darunter auch die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh.
Anfang Oktober hat die Menschenrechtsaktivistin und Autorin, Narges Mohammadi, den diesjährigen Friedensnobelpreis verliehen bekommen, sie sitzt weiterhin im Evin Gefängnis im Iran. Vor zwei Tagen trat sie in den Hungerstreik als Protest dafür, dass die iranischen Behörden ihr keine adäquate medizinische Versorgung ermöglichen – das hatte ihre Familie über ihren Instagram Channel erklärt. Dort werden auch Worte von Mohammadi veröffentlicht, in denen sie erzählt, dass sie seit über acht Jahren ihre beiden Kinder nicht mehr sehen konnte, die sich glücklicherweise in Sicherheit in Frankreich befinden. Sieben weiter Insassen:inen haben infolgedessen aus Solidarität auch das Essen verweigert. Wie weit müssen die Menschen noch gehen, um internationale Unterstützung und Freiheit zu erfahren?
Letzte Woche wurden zehn Frauen (!!!), die der Glaubensgemeinschaft der Baha´i angehören, aus diesen Gründen festgenommen:
Heute morgen noch habe ich einen Kommentar unter einem Social Media Beitrag gelesen: „Dieses Regime sollte seine Bevölkerung alle einzeln wie Hunde anleinen. So, wie sie für jeden Schritt, der nicht gefällt, neue Gesetze erlassen.” Genau das hatte ich vorher gedacht, aber nicht geschafft, zu formulieren. Im ganzen Land wurden in den letzten Wochen immer wieder Angehörige der Baha´i zusammenhangslos festgenommen und eingesperrt. Mehr dazu findet ihr immer wieder über die Menschenrechtsorganisation HRNA.
Gestern erst hatte ich bei ihnen im Feed die Nachricht darüber gelesen, dass zehn Insass:innen in Ghezel im Gefängnis in Isolationshaft verlegt wurden – eine Praktik, die oftmals vollzogen wird, bevor Menschen im Iran hingerichtet werden. Und jetzt, heute, während ich schreibe, lese ich das Update darüber, dass neun (!) von ihnen heute Morgen hingerichtet wurden. Ich kann euch nicht einmal mehr darauf aufmerksam machen und um Sichtbarkeit bitten, nein. Dafür ist es bereits zu spät.
All diese Nachrichten sind unvollständig, nicht komplett überschaubar und zu viel der Tragik. Und währenddessen hat das Iranische Regime immernoch seine Handlanger in deutschen Universitäten und sitzt im Vorsitz des UN-Menschenrechtsforums. Ich bin sprachlos über all diese Neuigkeiten und hoffe, ihr habt noch Platz für Liebe und Empathie untereinander. Noch mehr Hass und Gewalt ließe sich nicht ertragen.
Deshalb möchte ich euch zum Ende noch den neuen Podcast von WDR COSMO „Iran im Herzen” empfehlen, in dieser Folge mit Madeleine Alizadeh (@dariadaria) und Yasaman Soltani zu Gast.
Das Bild zum Beitrag heute kommt wie immer von meiner lieben @denakah_art, die die Grafik diesmal mit folgenden Worten kommentierte: „Mir war nach was verrücktem zumute zu diesen verrückten Zeiten.“
Passt gut auf euch auf, bis zum nächsten Mal.
<3

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