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Neue EP „The Valley Of Vision“: Manchester Orchestra dekonstruieren ihren Indie-Sound

Posted in: News

Wir betrachten Musik oft als etwas organisches, etwas, dass aus ausgedehnten Sessions und Jams langsam heranwächst und gedeiht. So ging auch die US-amerikanische Indieband Manchester Orchestra ihre Songs an – zumindest bisher. Für die neue EP „The Valley Of Vision“ betrachtete die Band ihre Stücke stattdessen wie wissenschaftliche Experimente, die es zusammenzusetzen galt. Der Clou? Die Bandmitglieder waren bei der Produktion nie zusammen im selben Raum.

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Trügerischer Name

Ein Disclaimer vorab: Manchester Orchestra stammen weder aus Manchester, noch haben sie besonders viel mit orchestraler Musik zu tun. Stattdessen versteckt sich hinter diesem Namen ein Quartett aus Atlanta, Georgia, das sich 2004 um den Sänger, Songwriter und Gitarristen Andy Hull formierte. In den beinahe 20 Jahren ihres Bestehens haben Manchester Orchestra schon diverse biografische, wie auch musikalische Phasen durchlebt. Ihr Stil rangierte schon von Indie-Folk bis Post-Hardcore und war dabei stets von großen Ereignissen und Umbrüchen wie der Geburt von Hulls Tochter oder dem Tod seines Vaters beeinflusst.

„Wir sind davon fasziniert, Sachen verkehrt herum zu machen“

Wenn sich allerdings eine Sache durch das bisherige Schaffen von Manchester Orchestra zog, dann war es die gemeinsame Arbeit als Band, die Songs in einem Live-Setting entwickelte und einspielte. Für die neue EP „The Valley Of Vision“ entschieden sich die vier Musiker nun dafür, diese Konstante wegzunehmen. „Hinter ‘The Valley Of Vision‘ steht eine aufregende Idea davon, was die Zukunft des Musik machens für uns bereithalten könnte. Keiner dieser Songs wurde geschrieben, während die Band im selben Raum in einem Live-Setting versammelt war. Sie waren wie wissenschaftliche Experimente, die von Grund auf starteten und zu denen Stück für Stück weitere Komponenten hinzugefügt wurden. Wir sind davon fasziniert, Sachen verkehrt herum zu machen oder Dinge zu probieren, die wir noch nie probiert haben und uns davon inspirieren zu lassen“, erzählt Andy Hull über den Entstehungsprozess.

Besonders beeindruckend an dieser Aussage: Diese Collagen-artige Form der Musikproduktion hört man den sechs Songs der neuen EP zu keinem Zeitpunkt an. Stattdessen gehen die verschiedenen instrumentalen Komponenten und sogar die einzelnen Stücke nahtlos in einander über, ein Umstand der besonders im 3D-VR-Film zur EP zur Geltung kommt.

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Im Vergleich zum letzten Album „The Million Masks Of God“ sind die Songs versöhnlicher und weniger gequält, Andy Hull scheint nach dem Tod seines Vaters zu so etwas wie Frieden oder zumindest einem neuen Status Quo gefunden zu haben. Schon der Opener „Capital Karma“ ist ein vielschichtiges Stück aus zartem Klavier, elektronischen Sample-Schnipseln und Hulls Poesie, die zum Ende von einem aufbrausenden Chor wiedergegeben wird. Das klingt dann beinahe ein wenig nach Bon Iver – kein Wunder, Justin Vernon ist ja bekanntlich auch Fan davon, mit jeglichen Konventionen zu brechen. Mit dieser subtilen Komplexität und Ruhe geht es bis zum letzten, beinahe sechs-minütigen Song „Rear View“ weiter. Dass diese Stücke mikroskopisch zusammengesetzt wurden, statt gemeinsam erspielt, vergisst man dabei beinahe – und wenn dieser Umstand doch mal in den Sinn kommt, dann mit tiefster Ehrfurcht vor den Sound-Alchemisten von Manchester Orchestra.