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Nia Archives befeuert das Jungle-Comeback aus ihrem Schlafzimmer

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Drum & Bass und Jungle-Beats haben in den letzten Monaten ein beeindruckendes Revival hingelegt, das 2023 einen neuen Zenit erreichen könnte. In dieser neuen Generation von Breakbeat-Fanatiker:innen gibt es viele Schlüsselfiguren, die die Bewegung vorantreiben und eine von ihnen ist Nia Archives. Wir stellen euch den hypnotisierenden Sound der Produzentin und Sängerin vor, die gerade von ihrem Schlafzimmer aus das Internet erobert.

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Ein Kind der Nullerjahre wühlt in der Vergangenheit

Geboren wurde Nia in Bradford, aufgewachsen ist sie aber in Leeds in Nordengland. Ihre Familie ist nur zum Teil britisch, die andere Hälfte ihrer Wurzeln führt nach Jamaika. So war von Anfang an ein Nährboden aus verschiedensten musikalischen Einflüssen gegeben: Reggae, Disco, Rap, Gospel und eben auch Jungle, ein Sound, der entscheidend von der jamaikanischen Community in Großbritannien geprägt wurde. Die goldene Ära dieser rasselnden Beats in Hochgeschwindigkeit hat Nia Archives, geboren 1999, knapp verpasst – umso leidenschaftlicher arbeitet sie daran, sie zurückzuholen.

Doch dazu später mehr. Im Alter von 16 Jahren zieht es Nia Archives nach Manchester, eine der großen Rave-Hochburgen im Vereinigten Königreich, die auch die junge Teenagerin schnell in ihren Bann zieht. In Clubs wie dem Hidden verbringt sie ihre Wochenende und saugt dabei die Dance-Kultur begeistert in sich auf. Schon damals schreibt Nia unzählige Songideen nieder und sammelt erste Erfahrungen in Sachen Musikproduktion, nachdem ihr damaliger Stiefvater ihr schon mit 12 das Programm Logic Pro zeigt. Weitere Kniffe bringt sie sich als Digital Native selbst mit YouTube-Tutorials bei und aus ersten Boom-Bap-Beats werden schnell Jungle-Produktionen mit komplexen Breakbeats.

Nachdem Nia in Manchester bereits in das Nachtleben der Großstadt schnuppern konnte, ist der nächste Schritt schnell klar: Auf nach London! Hier lebt die Musikerin bis heute und kreiert von ihrem Laptop aus einen spannenden DIY-Sound, der ihre Einflüsse abbildet. Ihre ersten Releases wie „Sober Feels“ und „Headz Gone West“ erscheinen 2020, während die Covid-Pandemie um sich greift und spiegeln dieses Zeitgeschehen, bewusst oder unbewusst, musikalisch wieder.

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Club-Musik im tiefsten Lockdown

Die rastlosen Drumbreaks aus den Clubs sind natürlich nicht wegzudenken, werden aber durch Lo-Fi-Samples und Soul-Einflüsse entschleunigt und Isolations-tauglich gemacht. Die Beats von Nia Archives sind durch und durch britisch, in ihrem laid-back Gesang klingen dagegen eher die großen Ikonen der amerikanischen Musik-Geschichte durch: Erykah Badu, Lauryn Hill, Nina Simone. Mit ihrem Mix aus Drum & Bass, Neosoul und R&B erinnert Nia Archives stellenweise auch an PinkPantheress, die zur selben Zeit ebenfalls ihre ersten Erfolge in Großbritannien feiert. Aber während ihre Kollegin schnell zu eigenwilligen Bedroom-Pop-Ohrwürmern findet, ist Nia Archives vor allem in die komplizierte Produktion ihrer Jungle-Fusion vernarrt. Kein Wunder: die Möglichkeiten einen Amen Break in seine Einzelteile zu zerlegen und neu zusammenzusetzen sind bekanntlich endlos. Sechs neue Serviervorschläge liefert sie auf ihrer zweiten EP „Forbidden Feelingz“, die vor allem mit ihrem Titeltrack dafür sorgt, dass der Name Nia Archives zunehmend die Runde macht.

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Brasilianische Folklore trifft auf Drum & Bass

Nia Archives produziert leidenschaftlich gerne und legt außerdem auch auf. Trotzdem merkt man ihrer Diskographie schnell an, dass die Newcomerin nie nur an den nächsten Rave denkt, sondern ihre Stücke im Song-Format aufbaut. Dieses Talent in Sachen Songwriting kommt immer mehr zum Vorschein und sorgt dafür, dass die neue EP „Sunrise Bang Ur Head Against Tha Wall“, die am letzten Freitag erschien, vielleicht Nias bisher beste ist.

Von der ersten Single und dem unbestreitbaren Hit des Projekts sollte man sich dabei gerne anfixen, aber nicht täuschen lassen. Denn „Baianá“ ist eine Nummer, die den Dancefloor zum Kochen bringt und in diesem Sommer viele Club- und Festivalcrowds durchgeschwitzt zurücklassen wird. Im Zentrum des Songs steht dabei ein Sample der brasilianischen Body-Music-Band Barbatuques, das Nia Archives sich zu eigen macht und in einen neuen Kontext setzt. Die Newcomerin dreht die BPM hoch, lässt die brasilianischen Chöre im Takt ihrer chaotischen Beats auf und abschwellen, bis kein Bein mehr still steht.

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Nia Archives kann auch Pop-Songs

Der nächste Song „That’s Tha Way Life Goes“ macht dann mit seinem Lo-Fi-Piano schnell klar, dass sich der Rest dieser EP mehr in den Afterhours und auf dem Kater-Spaziergang, als im Club abspielt. Nia singt mehr und wagt dabei mehr Experimente als zuvor, die stolpernde Percussion wird dagegen zu einem wohligen Grundrauschen. Auch der folgende Song „No Need 2 Be Sorry, Call Me?“, dessen Titel wie aus einem Chatverlauf entnommen scheint, ist mehr R&B, Soul und Funk als Jungle. Das liegt mit Sicherheit auch am Duett mit Featuregast Maverick Sabre, dessen Herzschmerz-Vocals an anderer Stelle vielleicht cheesy wären, auf Nias Breakbeats aber einen ganz eigenen Zauber entfalten.

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Eine gänzliche neue Facette aus dem musikalischen Repertoire der Newcomerin gibt es dann auf „So Tell Me…“ zu hören. Die melancholischen Gitarren-Chords klingen nach dem Indie-Sound, der ihre Schulzeit begleitet hat und wenn dann in der Bridge die Streicher einsetzen, fühlt man sich sogar zurückversetzt zur urbanen Dramatik von Mike Skinners „Original Pirate Material“.

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Nia Archives hat die Dancefloors des Vereinigten Königreichs längst erobert, ob mit ihren großartigen Sets oder als Baustein für andere DJs. Im Sommer kann man sie dann auch hierzulande sehen und zum Beispiel auf dem Melt in Gräfenhainichen die letzten Gehirnzellen zu den Chören von „Baianá“ zertanzen.

Aber noch viel wichtiger: Nia Archives ist gerade drauf und dran, auch unsere Playlists zu stürmen. Ihr Neo-Jungle kommt schließlich vom Laptop aus den heimischen vier Wänden und kann genauso auch gehört werden. „Sunrise Bang Ur Head Against Tha Wall“ zeigt, dass diese Newcomerin durchaus das Zeug zu Pop-Hooks hat, während sie an anderer Stelle als Galionsfigur des Jungle-Revivals gefeiert wird. Nia Archives scheinen gerade alle Türen offenzustehen – wie es jetzt weitergeht, liegt gänzlich in ihrer Hand.

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