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Antonia Baum, ihr Roman „Siegfried“ und Hilde und Alex und Johnny und Benjamin

Antonia Baum kennt man vielleicht aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, wo sie Kolumnistin und Autorin ist. In den letzten Jahren hat sie drei Romane veröffentlicht und das Memoire „Stilleben“ – wo sie sehr offen und intensiv über das Mutterwerden geschrieben hat, das sie nach eigener Aussage komplett aus der Bahn geworfen hat. In der KiWi-Musikbibliothek stammt von ihr der sehr tolle Band über Eminem. Außerdem hat einer von Antonias Romanen den besten Titel, den man sich ausdenken kann: „Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren.“

Ihr neuer Roman trägt hingegen den deutschesten Namen, den man haben kann. „Siegfried“. So heißt der Stiefvater der Ich-Erzählerin. Ein wohlhabender Geschäftsmann, immer perfekt gekleidet, immer mit der Aura eines kühlen Machers umgeben. Eine Autoritätsperson – geprägt von der Nachkriegszeit und den Geschichten seiner Mutter Hilde, die oft erzählt, wie sie vor „dem Russen“ flüchten musste.

Antonia Baum ist eine fantastische Erzählerin. Während sie mich erst ein wenig mit Berlin-Mitte-Kultur-Prekariats-Alltag einlullte, legt sie schon die ersten Tretminen aus. Man merkt nämlich schnell, dass dieser vermeintliche Alltag gerade ganz langsam eskaliert und die Erzählerin kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht. Sie hört eine Sirene, die niemand anders hört, sie steigert sich in Zwangshandlungen, sie sorgt sich auf irrationale Weise um ihren Stiefvater Siegfried – und ehe man sich versieht, verlässt sie barfuss mit lackierten Fußnägeln das Haus und fährt in eine Nervenheilanstalt. Erst im Wartezimmer kommt die Erzählerin und ich als Lesender dann mal kurz zur Ruhe. Allerdings nur, um langsam in den Strudel der Geschichte gezogen zu werden, die um ein verdrängtes Familientrauma kreist.

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