„Liebes Arschloch“ von Despentes ist für ihre Verhältnisse fast versöhnlich
Wer zum Beispiel Virginie Despentes Debütroman «Baise Moi – Fick mich» oder den Essay-Band «King Kong Theorie» gelesen hat, weiß dass diese Frau Bücher schreibt, wie andere Leute einen rechten Haken setzen. Oder einen Tritt in die Eier. In ihrem neuen Briefroman, der in ihrer Heimat Frankreich bereits gefeiert wird, zeigt sie allerdings: Milde, Verständnis, Empathie. Aber keine Panik: Das alles gibt’s nicht ohne Schmerzen. Und in verträglichen Dosen.
Das war schon in ihrer extrem erfolgreichen Trilogie „Vernon Subutex“ teilweise zu spüren – über ihren neuen Roman sagte sie jedoch selbst: „Nach der Pandemie hatte ich wirklich überhaupt keine Lust darauf, etwas Depressives zu schreiben.“ Also gönnt sie sich eine schöne Utopie: Nämlich, dass sich misogyne Männer Mitte vierzig tatsächlich noch ändern können. Im Kern des Romans steht ein Mail- und Insta-DM-Wechsel zwischen dem Schriftsteller Oscar, der im Zentrum eines MeToo-Falles steht, und der Schauspielerin Rebecca, die einst Sexsymbol des französischen Films war und ihren angeblichen Bedeutungsverlust ganz gut wegsteckt. Als Kontrast zu diesem sehr unterhaltsamen „Boomer“-Talk gibt es zwischendurch Blogeinträge der jungen Feministin Zoé zu lesen: Sie war vor einigen Jahren die Pressereferentin von Oscar und wurde von ihm körperlich und emotional bedrängt. Ein moderner Brief-Roman, der drei Menschen zusammenbringt, die sich bei Twitter oder in einer Talkshow eher angeschrien hätten. Und genau darum ging es Despentes.