Royel Otis: Sonnige Indie-Nostalgie von Down Under
Seit die goldene Indie-Ära gemeinsam mit den 2010ern langsam ihr Ende nahm, wird das Genre von verschiedenen Seiten regelmäßig für tot erklärt und wiederbelebt. Egal zu welche Fraktion man nun gehört, muss man neidlos anerkennen: Was Royel Otis da machen ist hot, egal welche Mucke gerade den Zeitgeist dominiert. Wir nehmen den Feel Good-Gitarren-Pop der beiden Australier unter die Lupe.
Royel und Otis
Royel Otis, ein Name, der erstmal exotisch anmutet, sich aber ganz nüchtern herunter brechen lässt. Denn hinter dem Projekt stecken die beiden Australier Royel Maddell und Otis Pavlovic, die beide bereits unabhängig von einander Musik machen, bevor sie sich bei einigen Auftritten kennenlernen. Der gemeinsame Nenner für den Start ihrer Freundschaft und des gemeinsamen Projekts ist, gelinde gesagt, speziell: Beide lieben den Song „Seabird“ von den Alessi Brothers. Damit ist die erste Inspiration gesetzt, Royel und Otis tauschen Demos aus und erkennen schnell, dass sie wie für einander gemacht sind.
Gelungenes Indie-Throwback
Wer genau hinhört, erkennt vielleicht noch ein wenig „Seabird“ in den ersten Songs des Duos, die 2021 auf der EP „Campus“ gesammelt werden. Die warme, optimistische Stimmung ist mit Sicherheit da, aber Royel Otis ziehen das Tempo an, orientieren sich mehr am Indie-Sound der 2010er als dem Alessi-Yacht Rock der 70er Jahre. Songs wie „Without U“, „Only One“ oder „Never Been More Sure“ rufen Vergleiche mit MGMT und Tame Impala auf den Plan und bringen dem frisch gegründeten Duo schnell erste Fans.
Sorgenlos zum ersten Hit
Der große Knall folgt dann wenige Monate später. Im März 2022 veröffentlichen Royel Otis die Single „Oysters in my Pocket“ und landen damit einen Hit, der sich von selbst erklärt, sobald man ihn hört. Die rhythmisch tuckernden Gitarren und Drums, lang gezogene Streicher, deren Melancholie Royel Otis unbesorgt weg wischen: „Oh well, that’s miles away“. Der Song klingt unverkrampft und catchy, als hätte er auch schon 2013 statt 2023 erscheinen können, und das im besten Sinne. Vom aktuellen Zeitgeschehen oder dem flauen Gefühl, gerade eine zweijährige Pandemie durchgemacht zu haben, ist hier nichts zu hören, stattdessen fühlt man sich insbesondere als Indie-Fan der ersten Stunde an endlose Festivalsommer zurückerinnert.
Relax, take it easy
„Oysters in my pocket“ kommt gut an, wird zu einer Feel-Good-Hymne und einem neuen Indie-High in der ständigen Sinus-Kurve des Zeitgeists. Also legen Royel Otis schleunigst nach. Im August 2022 erscheint ihre zweite EP „Bar & Grill“, fünf neue Songs, die das Leben nicht zu ernst nehmen und dazu einladen, es ihnen gleichzutun. Überhaupt scheint das eine wichtige Grundhaltung für die Band zu sein, die sie in den wenigen Interviews, die sie bisher gegeben haben, immer wieder betonen. Von dem Erfolg, den ihnen ihre Musik in kürzester Zeit eingebracht hat, wollen sich Royel Otis nicht einschüchtern lassen, stattdessen gehen sie die ganze Sache mit australischer Entspanntheit an.
Wenig später erscheint „Kool Aid“, wieder so ein Indie-Hit, der es schafft gleichzeitig locker-laid-back aber auch energetisch zu sein. Zur Hälfte hin gibt es dann sogar einen psychedelischen Break, in dem der Song unheilvoll rumort, grummelt und plärrt, bevor er wieder zu seiner ursprünglichen Form zurückfindet. Auf „Kool Aid“ folgt „I Wanna Dance With You“, die erste Veröffentlichung von Royel Otis im Jahr 2023. Während in vielen Stücken des Duos Otis Pavlovic mit seiner verträumten Stimme den Ton angibt, singen die beiden Freunde hier gemeinsam im Chor. So ganz sauber klingt das nicht, genau diese Beschaffenheit passt aber besonders gut zu den klimpernden Gitarren und der unbeschwerten Prämisse des Songs.
Liebe und Gitarren
In beiden Stücken geht es um die alles verzehrende Liebe und Bewunderung für eine andere Person. Diese Gefühlswelt wird mit „Sofa King“ fortgeführt, wo Otis die Hook den strahlenden Synths und Gitarren überlässt und nur eine einzelne Zeile in die Welt hinaus schreit: „You’re so fucking georgious!“. Die Single bildet den Titeltrack für die EP „Sofa Kings“, die Royel Otis Ende März veröffentlichen. Mit sieben Songs, von denen vier bereits bekannt waren, ist „Sofa Kings“ bis dato das umfangreichste Projekt des Duos aus Sydney.
Und irgendwie schaffen es die beiden Freunde auf allen sieben Anspielstationen die selben Themen und Sounds zu bedienen, ohne dabei auf der Stelle zu treten. Immer und immer wieder geht es um die Liebe und die Verliebtheit, mal konkret benannt, manchmal nur durch die Blume. Zwischendrin geht’s dann mal ins utopische Tropenparadies Kokomo, das auch schon die Beach Boys besungen haben, natürlich auch mit der angebeteten Person.
Nur der Anfang
Vertont wird das mit bewährtem Indie-Sound und Synth-Akzenten, keine Neuerfindung des Rades, sondern mehr eine Huldigung von schon Dagewesenem, die den nostalgischen Soft Spot kitzelt. Dabei klingen Royel Otis jederzeit getrieben von Lebensfreude, einzig allein auf dem Closer „Farewell Warning“, der sich mit seinem instrumentalen Intro Zeit lässt und auch mal ein rares Piano einstreut, wird es etwas ruhiger. Mehr solche Stücke und mehr Abwechslung würden der Band auf Dauer inmitten der Indie-Pop-Euphorie gut bekommen.
Aber das hat Zeit, denn bisher machen Royel Otis alles genau richtig, um den Indie-Nachwuchs abzuholen aber eben auch all jene, die sich in die Zeit zurücksehnen, in der Bands wie MGMT, The Drums oder Foster The People die Festival-Line-Ups dominiert haben. Wenn Royel Otis nicht gerade besagte Festivals betouren, sitzen sie aktuell mit hochkarätigen Produzenten wie James Ford (Arctic Monkeys) und Dan Carey (Wet Leg, Fontaine’s D.C.) zusammen und arbeiten auf ihr Debütalbum hin. Erstaunlich, was für eine Lawine so eine gehörige Portion Talent, australische Sonne und ein gemeinsamer Lieblingssong lostreten können.