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What’s Poppin? Auf den Spuren von Kanye West & Vorwürfe gegen Lizzo

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Noch ein letztes Mal „Utopia“

Habt ihr eigentlich schon mitbekommen, dass Travis Scott „Utopia“ gedropped hat? Natürlich habt ihr das. Schließlich kommt man um das vierte Studio-Album des Rappers und Produzenten aus Houston gerade kaum herum und die wirre Marketing-Kampagne mit Magazin, Spielfilm und Live-Konzert entfaltet sich ja auch erst nach und nach. Eine ausführliche Analyse aller Samples, Features und Eastereggs erspare ich euch hier – dafür fehlt mir die Zeit zum Schreiben und euch zum Lesen. Dafür möchte ich im Detail auf eine Beobachtung eingehen, die viele Fans und Kritiker:innen nach dem ersten Hören von „Utopia“ gemacht haben: Diese Platte ist voll mit den Fingerabdrücken von Ye aka Kanye West.

Dieser ist ja gerade völlig zurecht ziemlich weg vom Fenster was die öffentliche Aufmerksamkeit angeht, auch wenn die Entsperrung seines Twitter-Accounts nicht gutes bedeuten kann. Trotzdem muss man der kontroversen Rap-Ikone einige bemerkenswerte Leistungen anerkennen und dazu gehört, dass er Travis Scott so früh entdeckt hat. Schon 2012 nahm er diesen bei G.O.O.D Music unter Vertrag, gefolgt davon, dass sich ihre Rap- und Produktions-Styles in den folgenden Jahren spürbar annäherten. 2013 produzierte Travis Scott einige Songs für Kanyes experimentellen Meilenstein „Yeezus“ – und gerade dieses Album scheint nun auch wieder die Arbeiten an „Utopia“ beeinflusst zu haben. Viel diskutiert ist dabei vor allem der Song „Circus Maximus“, der sich beinahe der selben Rhythmik und BPM bedient wie schon Kanyes „Black Skinhead“.

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Auch aus den Flows auf „Modern Jam“ höre ich ziemlich viel Yeezy raus – auch wenn ich es irgendwie nicht direkt auf einen Song festnageln kann.  Dieser Einfluss kommt nicht von ungefähr: Ye taucht in den Credits von „Utopia“ gleich mehrmals auf, genauso wie Mike Dean, der seine spacige Synth-Zauberei hier auch wieder wirkt. Das alles ist keine revolutionäre Erkenntnis, aber ich finde es spannend und begrüßenswert, dass Travis hier die konstruierten Mainstream-Hits à la K-Pop und links liegen lässt. Stattdessen geht es back to the roots, zurück zu mechanischen Elektro-Beats von „Yeezus“ und finsterer „Rodeo“-Dissonanz. Ob das zu universellem Lob wie bei „Astroworld“ führt, halte ich für unwahrscheinlich – aber wer G.O.O.D Music und die Zeiten, als Kanye noch kein bekennender Antisemit war, vermisst, kommt hier auf seine Kosten.

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Die Memphis-Florida-Connection

Denzel Curry hat vor wenigen Tagen seine erste offizielle Single in diesem Jahr veröffentlicht. „Blood On My Nikez“ heißt das Ding und ich muss sagen: Denzel gefällt mir hier richtig gut! Mit seinem letzten Album „Melt My Eyez See Your Future“ hat er sich ja ein wenig vom geladenen Gespitte seiner Anfänge abgewendet und seine musikalische Palette um psychedelische Schattierungen erweitert. „Blood On My Nikez“ signalisiert jetzt eine erneute Wendung im Schaffen des Rappers aus Florida: Er klingt hier erstaunlich laid-back, während der Beat finster vor sich hin spukt. Vor zwei Wochen gab es bereits das Musikvideo zum Song und schon damals dachte ich mir beim ersten Anhören: Das klingt verdächtig nach Memphis, Mane! Diese Vermutung hat sich nun bestätigt: Bei der offiziellen Streaming-Version ist als Feature-Gast Three 6 Mafia-Legende Juicy J an Bord. Der eröffnet seinen Part direkt mit der selbstbewussten Ansage: „I’m the godfather of this shit“. Word!

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…noch mehr Memphis von Offset und Cardi B

Wir bleiben mal beim Memphis-Sound, denn der schwingt auch in der neuen Single von Ex-Migos-Rapper Offset mit. Feature-Gast auf „Jealousy“ ist seine Partnerin Cardi B, die ja aktuell mit ihrem Mikrofon-Zwischenfall in Las Vegas eher gemischte Schlagzeilen erzeugt. Das bringt die Thematik des Songs aber eigentlich schon perfekt auf den Punkt, denn: das Rapstar-Päärchen zeigt Kritiker:innen und Neider:innen hier den musikalischen Mittelfinger. Im Hintergrund wird ein Sprechchor im Memphis-Style immer wieder auf’s gelooped: „Jealous ass bitch!“, parallel flext Offset mit seinem Status in der Rap-Szene und hat auch ziemlich coole Statisten dabei: Seine eigenen Kinder. 

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Schwere Vorwürfe gegen Lizzo

Über Lizzo sprechen wir sonst eigentlich nur, wenn sie mal wieder einen neuen Überhit serviert oder sonstigen coolen Scheiß macht, der die Musikindustrie ein Stück menschlicher macht. Aktuell ist die Rapperin und Sängerin aber wegen ziemlich harten Vorwürfen im Spotlight. So haben drei Frauen, die zuvor bei ihren Shows auf der Bühne getanzt haben, Lizzo am Dienstag vor einem Gericht in Los Angeles angeklagt. Dabei geht es um ein menschenfeindliches Arbeitsumfeld, sexuelle Belästigung und sogar Body Shaming – Anklagepunkt, die kaum gegensätzlicher zum öffentlichen Bild von Lizzo sein könnten.

So habe die Musikerin eine der Tänzerinnen dazu gedrängt, einen nackten Tänzer in einem Club in Amsterdam anzufassen, eine andere habe sie wegen ihrem Gewicht kritisiert. Die Vorwürfe richten sich außerdem auch an Shirlene Quigley, die Lizzos Tanz-Crew anführt. Bisher hat sich die Künstlerin oder ihr Team noch nicht zur der Anklage geäußert, aber sollte irgendwas davon stimmen, bedeutet das eine ziemliche Macke in Lizzos Image.

Paris Texas machen Rap für Punk-Fans

Zum Schluss nochmal ein Album, dass ihr euch im manischen „Utopia“-Hype unbedingt nicht entgehen lassen solltet: „Mid Air“ von Paris Texas. Also das Duo aus LA, nicht der Film von Wim Wenders, versteht sich. Louis Pastel und Felix haben schon 2021 gemeinsam die starke EP „Boy Anonymous“ veröffentlicht, nun folgt das erste längere Projekt, dieser Rap-Gruppe, die ein bisschen wie die zweiköpfige Punk-Version von Brockhampton daherkommt. Weiteren Support aus der Alternative Rap-Bubble holen sich die beiden Interpreten von Kenny Mason und Teezo Touchdown, abseits davon brettern sie wie das Motocross auf dem Cover zu zweit durch die wirren Drums und verzerrten E-Gitarren. Während Hype-Magneten wie Lil Uzi Vert oder Playboi Carti meist eher oberflächliche Rock-Plattitüden wie Screaming kopieren, liefern Paris Texas mit „Mid Air“ tatsächlich ein Album, dass auch den Leuten gefallen könnte, die sonst eher die „Hard In Here“-Kolumne meiner Kollegin Christina Wenig lesen.

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