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What’s Poppin? Lil Yachty auf psychedelischem Trip & Slowthai goes Punkrock

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„Let’s Start Here“ von Lil Yachty: Was ein Trip

Selten bin ich so enthusiastisch in meine „What’s Poppin?“-Kolumne gestartet wie in dieser Woche. Meine kindliche Begeisterung verdanke ich Miles McCollum, besser bekannt als Lil Yachty, und um sie zu erklären muss ich wohl ein wenig ausholen. Seit seinen ersten Releases fällt der Rapper aus Georgia in der Szene auf wie ein bunter Hund. Das liegt vor allem an goofy-genialen Hits wie „1 Night“, „Minnesota“ oder kürzlich „Poland“, die immer wieder beweisen, dass Lil Yachty Rap-Musik wesentlich freigeistiger und lockerer angeht, als viele seiner gangbangenden Zeitgenossen. Und auch der Deep Dive in die Flint-Szene rund um Rio Da Yung OG, Babyface Ray und Sada Baby, den er in den vergangenen Jahren hingelegt hat, zeigt: Lil Boat ist offen für Neues.

Den radikalen Stilwechsel, den er mit seinem neuen Album hingelegt hat, habe ich dann aber doch nicht erwartet. Denn: „Let’s Start Here“ klingt mehr nach Psychedelic Rock als nach Trap, mehr nach Tame Impala als nach Lil Yachty und vor allem klingt es verdammt gut. Schon der erste Song „the BLACK seminole.“ kommt mit ausgedehntem Synth-Intro, einem beinahe Oper-esquem Outro und einer Spielzeit von knapp sieben (!) Minuten – ein Portal, dass uns für die nächste Stunde in eine andere Welt entführt. Statt Rap-Kolleg:innen holt sich Lil Yachty gesungene Gastbeiträge von Foushée, Justine Skye, Teezo Touchdown und Diana Gordon sowie eine gesprochene Interlude von Bob Ross.

Letzterer war mit seiner meditativen Mal-Senung „The Joy Of Painting“ sicherlich ein Teil des Moodboards von „Let’s Start Here“, genau so wie die Musik von Mac DeMarco, Unknown Mortal Orchestra, Magdalena Bay und MGMT, die allesamt an der Produktion beteiligt sind. Wer Lil Yachty erst über den viralen Hit „Poland“ kennengelernt hat, kann allerdings unbesorgt sein: Der ikonische Autotune-Vibrato feiert auch hier sein Comeback, obwohl Lil Yachty meistens eher singt als rappt. Das kann auf Dauer ein wenig anstrengend sein, wird aber immer wieder durch die ausgedehnten Instrumental-Passagen und Arrangements durchbrochen. Auf dem zweiten Song singt Lil Yachty: „Don’t ask no questions on the ride!“ Und vielleicht ist genau das der Modus für dieses Album. „Let’s Start Here“, einfach einsteigen, zuhören und staunen.

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Neue Single „Selfish“: Arbeitet Slowthai an einem Punk-Album?

Lil Yachty war allerdings nicht der einzige, der in den letzten Tage eine stilistische Neuausrichtung hingelegt hat. Denn wenn Slowthai nicht gerade mit Kontroversen wie einem „geköpften“ Boris Johnson beim Mercury Prize 2019 oder seinem misogynen Ausfall bei den NME Awards 2020 für Gesprächsstoff sorgt, fällt der Rapper aus London meistens vor allem mit guter Musik auf. So auch 2021, als er mit „Tyron“ ein vielschichtiges Album ablieferte, dass nochmal mehr Facetten des Enfant-Terrible des britischen Raps offenbarte als noch der Erstling „Nothing Great About Britain“. „Tyron“ konnte mit Features wie A$AP Rocky, Skepta, Dominic Fike, Mount Kimbie und James Blake als Potpourri aus Alternative Hip-Hop bestechen, doch mit seiner neuen Single „Selfish“ lernen wir Slowthai von einer anderen Seite kennen. Eine, die der Rapper bereits mit seinen beiden sehr guten Mura Masa-Collabs angetestet hatte: Punkrock!

Die straigt gespielten Drums und grummelnden Bassläufe klingen wie in Papas Garage aufgenommen, angereichert mit neurotisch flimmernden Synthesizern und jaulenden Sirenen klängen. „Selfish“ klingt dringlich und gehetzt, so auch Slowthais Rap, den er schizophren vor sich hin flüstert, schreit, knurrt, wimmert. Das zugehörigen Musikvideo zeigt den Künstler eingesperrt in einem Glaskasten, kurz vor dem großen Ausraster oder schon mittendrin. „Doorman“, „Deal Wiv It“ und jetzt „Selfish“: All das klingt schwer danach, dass Slowthai dringend eine ganze Platte in diesem Sound abliefern sollte, die dann vielleicht eher in die „Hard In Here“-Kolumne meiner Kollegin Christina Wenig passt.

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Kelvyn Colt: Nächster Halt Amerika

Der nächste Song, der mir seit der letzten Kolumne aufgefallen ist, kommt von einem Artist, der trotz seines verhältnismäßig jungen Alters schon eine beachtliche Reise hingelegt hat. Gestartet hat diese hier bei uns in Deutschland: Hier, genauer genommen in Fulda, wurde Kelvyn Colt geboren, aufgewachsen ist er in Wiesbaden. So richtig nehmen die Dinge dann aber erst in Fahrt auf, als der damalige Newcomer 2015 mit einem One-Way-Ticket nach London reist, um dort seiner Musikkarriere nachzugehen. Damit zündet er den Startschuss für einen Lauf, der inzwischen von über einer Million Hörer:innen verfolgt wird und Kelvyn Colt bereits zu Features mit Gunna und einem Eintrag in der Forbes 30 under 30 gebracht hat.

Nun lässt der 28-jährige ein weiteres Mal das Vertraute hinter sich, um ins Ungewisse aufzubrechen. Wieder per One-Way-Ticket, diesmal nach New York. Nachdem Kelvyn Europa bereist hat und sogar schon in China gespielt hat, gilt es nun die Staaten zu erobern. Seine Ankunft vertont der Rapper mit der neuen Single „Eye4Eye“ – ein Song, der mit seinen spacigen Synths und Jersey-Club-Anleihen gut im Fahrtwasser von Lil Uzi Verts „Just Wanna Rock“ mitschwimmen könnte. Man kann sich nur wünschen, dass Kelvyn Colt und sein potenzielles US-Publikum zusammenfinden, denn wenn es einer dort drüben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schaffen kann, dann wohl er.

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Kann Macklemore mit „Heroes“ die Hip-Hop-Heads für sich gewinnen?

An dieser Stelle vielleicht ein Hot Take: Ich habe den überwältigenden Hate gegen Macklemore nie richtig verstanden. Hätte Kendrick den Grammy für das Rap-Album des Jahres mit „Good Kid, M.A.A.D. City“ damals mehr verdient? Offensichtlich ja, das ist ja nichts neues mehr. Ist Macklemores „The Heist“ deshalb ein schlechtes Album? Ganz und gar nicht. Natürlich war die Halbwertszeit von damaligen Hits wie „Thrift Shop“ und „Can’t Hold Us“ schnell überschritten und auch dass Macklemore Themen wie queere Liebe und Rassismus besetzte, stößt vielen verständlicherweise übel auf. Trotzdem hatte der Rapper aus Seattle, insbesondere mit seinem damaligen Produzenten Ryan Lewis, schon immer ein Händchen dafür, über den Hip-Hop-Tellerrand hinaus zu musizieren und die Grenzen zum Pop einzureißen. Und heute?

Heute scheint es so, als wäre die Missgunst von damals verraucht. Aktuelle Singles wie „Chant“ mit Tones & I oder „Faithful“ mit NLE Choppa werden gut angenommen und insbesondere sein neuestes Werk könnte ihm einen Stein im Brett bei den Hip-Hop-Heads verschaffen. „Heroes“ kommt mit Feature von der Producer-Legende DJ Premier und klingt auch genauso: Bum, Tschak, fette Bläser-Hits, Scratching wie damals. Ganz gemäß dem Titel würdigt Macklemore hier seinen großen Helden und Idolen: „My heroes didn’t look like yours, nah, nah / They didn’t work a nine-to-five, they worked a five-to-four / Woke up at three and recorded more / See, my heroes died of overdoses, ridin‘ for the culture / Mind tied to psychosis, all the lies in show biz“. Es ist schon beinahe ironisch: 2012 wurde dieser Typ beinahe für ein paar Pop-Songs gelynched, heute hält er Grundwerte des Hip-Hop am Leben wie kaum ein zweiter.

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Cordae, Anderson .Paak & J. Cole gehen in die zweite Runde

Es geht Conscious weiter: Mit Cordae, Anderson .Paak und J. Cole kommt auf „Two Tens“ für viele wohl sicher eine Traum-Kombi zusammen. Und das schon zum zweiten Mal: Bereits auf Cordaes Debüt von 2019 fand sich ein Song mit Anderson .Paak und Beat von J. Cole. Und anscheinend funktionierte die Zusammenarbeit damals so gut, dass man nun nochmal in der selben Runde zusammen kommt. Auf „Two Tens“ tauschen Cordae und .Paak scheinbar mühelos ihre Bars auf dem groovenden Instrumental aus und präsentieren zwei sehr verschiedene Frauenbilder. In den Kommentaren unter dem sehr guten Musikvideo werden schon die ersten Rufe nach einem Kollabo-Album laut und dieser Forderung kann ich mir nur anschließen.

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Destruktiv-progressive Sounds von Bktherula

Bktherula ist gut mit ihrer Rap-Kollegin Rico Nasty befreundet und mit dieser könnte man die Newcomerin aus Atlanta vielleicht am ehesten vergleichen, um sie Uneingeweihten vorzustellen. Die Musik von Bktherula ist progressiv, aber klingt gleichzeitig destruktiv, Rage Rap irgendwo zwischen Playboi Carti, Yeat und Zillakami. Während viele andere US-Rapperinnen sich als durchgestylte Diven inszenieren und um den Titel der Queen of Rap kämpfen, denkt Bktherula in anderen Kategorien. Ihr neuer Song „Tan“ ist wirr, fängt völlig abrupt an und ist genau so plötzlich nach knapp zweieinhalb Minuten auch wieder vorbei, wie als wäre man kurz in den Moshpit gestolpert und direkt wieder raus getaumelt. Im Low-Budget-Musikvideo tigert Bktherula zu zähneknirschenden Trap-Beats über ein Hausboot – weil warum auch nicht. „Tan“ wirkt irgendwie unfertig und skizzig, das stört aber nicht weiter und muss vielleicht sogar so.

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