What’s Poppin? Warum „Ugly“ kein Kandidat für das beste Rap-Album des Jahres ist
Warum „Ugly“ kein Kandidat für das beste Rap-Album des Jahres ist
Es ist zwar mittlerweile beinahe zwei Wochen alt, trotzdem oder gerade deshalb muss ich aber an dieser Stelle nochmal über das neue Album von Slowthai sprechen. Denn „Ugly“ ist auch nach zig Hör-Durchläufen immer noch eine verdammt gute Rap-Platte – wobei man davon in diesem Fall vielleicht gar nicht sprechen sollte. Denn auf „Ugly“ tummelt sich bis auf den schizophrenen Dialog von „Fuck It Puppet“ so ziemlich alles außer Hip-Hop-Musik. Stattdessen findet Slowthai neue Sounds um seine Abgründe zu vertonen, in die er diesmal tiefer als je zuvor blicken lässt. Schon im Vorab gab es die beiden Punk-Nummern „Selfish“ und „Feel Good“ zu hören, daneben gibt es von der Industrial-Therapiesitzung bei „Yum“ über melodiösen Indie bei „Sooner“ bis zu den schleppenden Grunge-Gitarren auf „Ugly“ oder „Falling“ viele weitere Facetten.
Damit ist Slowthai nach Lil Yachty und Tyler, The Creator der nächste in einer Reihe von Rappern, die mit Bravur ihrem Signature Sound den Rücken kehren, um sich kreativ auszuprobieren und vielleicht sogar neu zu finden. Wo die Wahl bei Yachty kürzlich auf verspielten Psychedelic Pop- und Rock fiel, entscheidet sich Slowthai für abgründige Gitarren-Sounds – das Ergebnis sind zwei Platten, die verschiedener kaum sein könnten, aber schon jetzt absolute Highlights im Jahr 2023 darstellen.
Das belgische Kollektiv Glauque vereint Rap mit Electronica
Obwohl „What’s Poppin?“ eigentlich eine Kolumne über internationalen Rap ist und dabei keine Grenzen kennen sollte, fällt meine Themenfindung dann doch meistens fast ausschließlich auf englischsprachige Musik – Sprachbarriere lässt grüßen. Umso mehr freue ich mich, wenn ich ab und zu dann doch mal Wind von spannenden Acts außerhalb meiner Bubble bekomme und so ging es mir kürzlich mit Glauque. Wer wie ich bei dem belgischen Kollektiv erst jetzt einsteigt, hat noch nicht all zu viel verpasst: Erst zwei EPs sowie eine Handvoll von Singles haben die vier Musiker bisher veröffentlicht. Dieser bisherige Output hat es allerdings in sich: Bei Glauque verschwimmen die Grenzen zwischen Rap und Electronica bis zur Unkenntlichkeit. Während Louis, die Stimme des Projekts, seine fokussierten Zeilen auf den Takt bringt, blubbert und frickelt es ständig irgendwo. Die Synthesizer leben und atmen bei Glauque, sind gleichberechtiger Sparring Partner für Louis und gewinnen diesen Kampf sogar manchmal.
Mit „Pas Le Choix“ hat die Gruppe nun die erste Single für ihr Debütalbum „Le Gens Passent, La Temps Reste“ veröffentlicht. Wieder so ein dichtes, dringliches Stück Elektro-Rap, mit verlorenen Piano-Akzenten und scharfer Percussion, die uns immer wieder überraschend aus dem Off-Beat erwischt. Wer Fan von alternativem Rap ist, aber auch Acts wie The Blaze oder Fred Again.. zu schätzen weiß, ist hier genau richtig.
Hart, härter, Bia
Während Coi Leray und Ice Spice gerade mit einem eher verspielten Rap-Entwurf steil gehen und virale Hits wie „Players“ oder „Munch“ landen, beweist Bia aus Boston aktuell, dass es nicht immer ein catchy Sample oder eine TikTok-taugliche Passage geben muss, um 2023 im Rap-Game abzureißen. Mit Feature-Gästen wie J. Cole auf „London“ oder Nicki Minaj auf „Whole Lotta Money“ und einem ziemlich kantigen Trap-Sound hat die Newcomerin bereits einige veritable Hits gelandet, von ihrem Beitrag zu Lucianos internationalem Überhit „Bamba“ ganz zu schweigen. Nachdem sie sich mit diesem Song vor allem in Deutschland einem völlig neuen Publikum vorgestellt hat, macht Bia nun mit ihrer neuen Single „Sixteen“ weiter.
Erneut fällt der Sound mit den verspulten Samples und knirschenden Industrial-Elementen alles andere als eingängig ein. Stattdessen erinnert erinnert die Nummer mit Bias eigenwilligen, selbstbewussten Flows an Sheck Wes – und zwar im besten Sinne. Dass sich Bia nicht an Pop-Melodien und Zeitgeist-Erscheinungen anbiedert, sollte man respektieren, ob sie sich damit tatsächlich eine langfristige Fanbase hierzulande aufbaut, bleibt aber abzuwarten.
JPEGMAFIA und Danny Brown: Ein Match Made In Heaven
Nachdem Jpegmafia erst kürzlich mit Y2K auf dem großartigen Breakbeat-Banger „Dirt“ kollaborierte, veröffentlichte der Rapper, Sänger und Produzent aus New York gestern direkt das nächste Feature. „Lean Beef Patty“ mit Danny Brown ist nicht nur ein interessantes Aufeinandertreffen von zwei Generation Experimental Hip-Hop, sondern auch der Auftakt einer größeren Zusammenarbeit, die nächste Woche im gemeinsamen Album „Scaring The Hoes“ münden wird. „Lean Beef Patty“ startet verhältnismäßig normal und „typisch 2023“ mit einem Sped-Up-Sample, ein chaotischer Hintergrund, während das Instrumental kurz darauf von übergroßen Synths und IDM-Drums geflutet wird. Dazu gibt es genau so wirre, aber geniale Nonsense-Parts von Peggy und Danny, inklusive Zeilen wie „If I tweet then delete then I meant it“. Dass diese Kombi aufgeht, bewies ja bereits „Negro Spiritual“ von Danny Browns letztjährigem Album – umso schöner also, dass bald mehr von diesem Dreamteam kommt.
Jeleel!: Der Flummi im Rap-Game
Über Jeleel! habe ich in dieser Kolumne bereits in der Vergangenheit berichtet: Der Newcomer bounced gerade wie ein energiegeladener Flummi durch das US-amerikanische Rap-Game und dürfte so mit aufgedrehten Hits wie „Dive In!“, „July!“ Oder „Uncivilized!“ vielleicht auch schon ein paar von euch gestreift haben. Dabei ist Jeleel! durch seine sympathische Persona, seine Live-Qualitäten und seinen kontinuierlichen Output längst über die TikTok-Viralität hinausgewachsen, auch wenn er dort bestens funktioniert. Aber wenn sich dieser muskelbepackte Typ in sein „Genius Verified“-Interview setzt und wirklich jedes einzelne „Yeah!“ aus seinem Song „Dive In!“ vorträgt, sehe ich da einen Charakter, der das Potenzial uns tatsächlich langfristig zu begleiten.
Einen weiteren Schritt zur etablierten Karriere hat er nun mit dem neuen Song „Gnarly!“ gemacht, für den er sich einen weiteren gehypten Newcomer rangeholt hat: Armani White. Gemeinsam berappen die beiden harten, skelettalen Beat und klingen dabei beinahe an das Duo aus Lil Pump und Smokepurpp, hätten sie damals etwas mehr Persönlichkeit gehabt und wären nie den Drogen verfallen.