Zu Besuch bei Kevin: Emotionaler Pop-Punk aus dem siebten Stock
Berlin, S-Bahnstation Anhalterbahnhof. Kevin zeigt breit grinsend auf einen massiven Wohnblock, der sich hinter der historischen Ruine breit macht. Hier hin hat es den Newcomer nach einigen kurzen Etappen in anderen Bezirken verschlagen, nachdem er mit 18 seine ursprüngliche Heimat im Umland von München hinter sich gelassen hat. Im siebten Stock findet er eine Wohnung und zunehmend auch einen eigenen Sound zwischen Pop-Punk und Bedroom-Indie, macht viele unschöne, aber prägende Erfahrungen. Inzwischen hat er den Plattenbau am Anhalterbahnhof hinter sich gelassen, trotzdem trägt er die Zeit im siebten Stock weiter in seinem Herzen und in seinem Instagram-Namen „kevinimsiebten“.
Rock, Rap und Rebellion
Aber der Reihe nach. Musik spielt schon vor seinem Aufbruch in die Hauptstadt eine große Rolle in Kevins Leben. „Mein Dad ist Metalhead und meine Mum war schon immer Goth und die haben mich immer auf die Festivals mitgenommen, WGT, Summerbreeeze oder so. Deswegen war diese Art von Musik immer da“, erinnert sich Kevin.
Als er dann selbst irgendwann zum Mikrofon greift, kommt aber erstmal kein gitarriger Rock-Sound dabei heraus. In einem Akt von Teenage-Rebellion kehrt Kevin der Musik, die in seinem Elternhaus läuft, den Rücken und entdeckt Rap sowie darin eine wichtige Schlüsselfigur für seine Zukunft. „In der Zeit, in der ich Rap gehört hab, bin ich auf Yung Lean gestoßen. Ich fand’ das mega interessant, dass ein kleiner Jugendlicher aus Stockholm, was eigentlich gar keine wirkliche Rap-Kultur hat, einfach in seinem Keller mit einem Billig-Mic etwas in die Welt hinaus schickt und das so eine Wirkung haben kann. Das hat mich dann schon motiviert, auch selber Mucke zu machen!“, erzählt der Newcomer.
Raus aus der Kleinstadt
Vom Geburtstags-Geld kauft er sich ein erstes Mikrofon und legt los – erstmal mit trappigem Soundcloud-Rap, der auch heute noch ab und zu durchklingt. Zunehmend findet er dabei auch wieder zurück zu der Musik, die seine Kindheit begleitet hat und bastelt erste Demos auf Pop-Punk-Instrumentals. Heraus kommen frühe Songs wie „Endstation“ und „Kleinstadt“. Von letzterer fühlt sich Kevin als Heranwachsender zunehmend eingeengt und schmiedet schon früh Pläne, irgendwann aus diesem Kosmos auszubrechen. Nach Schulabschluss und Ausbildung lässt er die bayerische Provinz hinter sich und zieht nach Berlin. Die erste Zeit hier ist geprägt von mentalen Krisen und Unsicherheiten, gleichzeitig formt sich aber auch ein unverkennbarer musikalischer Stil, der auf der EP „7“ im letzten Jahr erstmals in Form von einigen Songs gebündelt wird.
Endstation oder Neustart?
Auch hier spielt die Wohnung im siebten Stock am Anhalterbahnhof wieder eine große Rolle. Inzwischen liegt diese turbulente Zeit aber hinter ihm, im zweiten Teil des Interviews empfängt uns Kevin in seiner neuen Wohnung, um über sein Debütalbum zu sprechen. „Das hört sich jetzt bisschen blöd an, aber das Album war bisschen „Erwachsen werden“ und das nächste ist dann „Erwachsen sein“ oder das versuchen“. „Endstation“, der Name ist Programm. Auf zehn Songs erzählt Kevin von höchsten Höhen, aber vor allem den tiefen Abstürzen, in Sachen Liebe und Rausch. Dabei reizt er das gesamt Spektrum von krachend laut („Fick die Nachbarn“) bis emotional und zart („Spiegelbild“) aus, akustische Singer-Songwriter-Stücke treffen auf Midwest Emo und sorglosen Pop-Punk.
Während Kevin von seinem Debütalbum erzählt klingt er stolz und zufrieden, aber „Endstation“ ist nur der Anfang: „Es geht mir darum, dass ich persönlich und charakterlich da ankomm’, wo ich will. Keine Ahnung, wie lange das dauert, das kann seine Zeit nehmen, das kann auch noch Jahre dauern. Aber Hauptsache ich schaff’ das, für mich selbst“.