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„Apache bleibt gleich“: So war es beim großen Heimspiel in Mannheim

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Tagged: Apache 207

Wer aus Mannheim und Umgebung stammt, kommt kaum an ihr vorbei: die SAP Arena. Wie ein überlebensgroßer Koloss thront sie vor den Toren der Stadt am Neckar und beherbergt im ausverkauften Zustand rund 15000 Besucher:innen. Hier jemals zu spielen, bleibt für die meisten Musiker:innen ein kühner Traum. Es sei denn, man ist Apache 207 und damit einer der erfolgreichsten Rapper der Stadt – und Deutschlands.

Aus der Platte in die Charts

1997 wird der spätere Disco-Gangster hier in Mannheim geboren, wächst dann aber im benachbarten Ludwigshafen in den Plattenbauten der Gartenstadt auf. Die Blocks der „Hässlichsten Stadt Deutschlands“ und das nahe, lebendige Mannheim prägen ihn und ziehen sich seit Tags Eins durch seine Kunst. Mit dieser stößt er schon 2018 für die deutsche Rap-Szene die Pforten zur Dance-Musik auf und macht mit seinem kontrastierenden Stil zwischen Straße und Roller-Disko von sich Reden. Was folgt, ist eine Erfolgs-Geschichte wie aus dem Bilderbuch: Songs wie „200kmh“, „Wieso tust du dir das an“ und allen voran „Roller“ bringen Apache 207 einen historischen Hype sowie Gold-, Platin- und Diamant-Auszeichnungen ein.

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2020 will der Rapper seine erste Tour spielen und muss sie, wie viele andere, auf Grund der Pandemie absagen. Statt zu resignieren, bringt Apache den absoluten Boss-Move: Die Tour wird ins Jahr 2021 verschoben und beinhaltet nun 13 Stops in 13 Arenen in Deutschland, Österreich und Schweiz. Apache 207 hat Selbstbewusstsein und daran ändert auch die erneute Verschiebung in den Spätsommer 2022 nicht viel.

Heimspiel für den Lokalheld

Nun, über zwei Jahre, nachdem die Tour ursprünglich über die Bühne hätte gehen sollen, konnte gestern die erste Show gespielt werden – ein Heimspiel für Apache 207. In der SAP Arena in Mannheim, die der Rapper an gleich zwei Abenden hintereinander bespielte, tummelten sich vom Innenraum bis zu den obersten Rängen überall Fans, die mit großer Anspannung das Spektakel erwarteten. Und Spektakel ist vielleicht genau das richtige Wort, denn was Apache da in den folgenden zwei Stunden abfeuerte war alles, aber kein wackliges Live-Debüt. Schon der Start war ungewöhnlich: Ganz ohne Voract wurde die Show von Trommlern in Sturmhaube eröffnet, die mit wummernden Schlägen den Takt zum Sprechchor vorgaben: „Apache!“.

Konzert vor der eigenen Haustür – wortwörtlich

Das Bühnenbild dazu – und hier kann man wirklich von Bühnenbild sprechen – dürfte Fans der ersten Stunde vertraut vorkommen: Apache 207 nimmt uns wortwörtlich mit vor seine Haustür und performt vor einem Nachbau der Siedlung, die schon das Cover seines Debüts „Platte“ zierte. Das alles gehört auch zum Narrativ der drei aufwändig produzierten Kurzfilme, die die Show in drei Akte gliedern und den Werdegang vom Tellerwäscher bzw. in diesem Fall Friseur zum absoluten Superstar nachzeichnen. Aber wie ist der echte Bühnen-Apache abseits von der Leinwand? Der steht seinem Film-Ich in Nichts nach. Mit einer beneidenswerten Aura peitscht er gleich zu Beginn des Sets durch einige seiner größten Hits, „Brot nach Hause“,„Roller“, „200kmh“.

Apache 207 nimmt seine Siedlung mit auf Tour (Foto: Paul Shady)

Die Sonnenbrille sitzt und lässt keinen Blick auf das Innenleben des Rappers zu, trotzdem merkt man Apache insbesondere bei den Ansagen ehrliche Freude und Begeisterung für diesen Auftakt in der Heimat an. Unter tosendem Jubel murmelt er zwischen drin einmal „Mannheim, Mannheim…was machst du mit mir?“ und kündigt seinen Diamant-Hit „Roller“ mit diesen Worten an: „Ich hab’ ein bisschen Angst, diesen Song zu spielen“. Diese Angst ist unbegründet: Die Menge zieht von erster Reihe bis Oberrang mit und ist auch abseits der Erfolgssingles erstaunlich textsicher.

Apache kann große Momente

Die Apache-Show ist bis ins letzte Detail perfekt orchestriert und ausgetüftelt und wartet immer wieder mit kleinen Highlights auf. Für den Song „Boot“ lässt sich Apache auf einem Boot ins Publikum hinaus fahren und spielt im Anschluss einige Songs in einer akustischen Version mit Band inmitten der Menge. Gerade hier, wo seine Stimme nicht durch wuchtige Beats unterstützt wird, zeigt sich: Apache ist nicht nur der Gangster, der ab und zu sein Tanzbein schwingt, sondern auch ein verdammt guter Sänger, der sich durch Playback nur ab und zu unterstützen, aber nicht tragen lässt.

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Während er majestätisch auf seinem Boot durch die tobende Menge gleitet, murmelt jemand hinter mir: „Das ist seine erste Tour!“ – eine Aussage, die man sich immer wieder vor Augen führen muss, obwohl man ein Meer aus tausenden Handy-Lichtern vor sich sieht. Auf dem Rückweg zur Hauptbühne schweigt Apache und lässt Celine Dion über die Lautsprecher singen: „Near, far, whereeeeeeever you are…“ und die SAP Arena bebt förmlich im glückseligen Unison. Es sind unvorhersehbare, irrsinnige Situationen wie diese, die den Abend auszeichnen und Apaches Sinn für den richtigen Humor und Bigger-Than-Life-Momente und zur Schau stellen.

Exklusive Doku kommt im September

Noch so einer folgt kurz darauf inklusive einer pikanten News: Der Rapper erklärt in einer Ansage, dass es einen speziellen Grund hat, wieso er bis heute kein einziges Interview gegeben hat. Er dreht sich um zur Leinwand und schaut gemeinsam mit seinen Fans den Trailer seiner eigenen Dokumentation, die seinen Werdegang begleitet und am 23. September auf dem Streaming-Dienst Amazon Prime erscheinen soll. Wie Shindy sagen würde: „Junge, das sind Statements“.

Da tut es auch nicht weiter weh, dass der Einsatz der Leucht-Armbänder, die jeder am Einlass bekommt, etwas abstinkt, wenn man zuvor schonmal auf einem Coldplay-Konzert war oder, dass der 3D-Avatar bei „200kmh“ eher ein nettes Gimmick als eine technische Revolution ist. Apache 207 hat seine Fans in der Hand: Jeder Griff zur Wasserflasche und jedes Schweiß-Abtupfen wirkt nie wie eine Schwäche, sondern wie eine gekonnte Masterclass in Sachen Charisma. Mit seinen 24 Jahren hat der Rapper eine beeindruckende Bühnenpräsenz und lässt die Spannung nie abflachen.

Eine Show, drei Outfits: Apache 207 in Schneeweiß (Foto: Paul Shady)

Tourauftakt wie im Bilderbuch

Am Ende holt Apache für eine Zugabe von „Roller“ seine Jungs auf die Bühne, die ganze Bande, bis hin zu dem Typen, der uns am Einlass freundlich weitergeholfen hat. Während die ganze Gang euphorisiert über die Bühne tollt, sieht man beinahe die jugendlichen Versionen dieser erwachsenen Kerle vor sich, die damals in Ludwigshafen wohl nie von so etwas zu träumen gewagt hätten. Apaches Erfolgs-Story ist eine, bei der man nur anerkennend applaudieren kann – und das tut die Crowd abschließend zu genüge. Während wir im Post-Concert-High die Arena und das Maimarkt-Gelände verlassen, hört man es bis in den Zug immer wieder von promillisierten Fans grölen: „Apache bleibt gleich!“. Und diesen Eindruck hat man auch nach dieser Show, trotz Feuerwerk, Bühnenbau und Bootsfahrt. Apache 207 ist ein Lokalheld, der seiner Heimat an diesem Abend alle Ehre gemacht und der sich nun guten Gewissens aufmachen kann, um den Rest der Republik abzureißen.

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